Seit drei Jahren kümmert sich die Initiative „Fluchtpunkt Niedernhausen“ um die Belange der 400 Flüchtlinge in Niedernhausen. Die Kinder werden bei den Hausaufgaben unterstützt.
Von Nina Waßmundt
Editorin
Karin Hänsch, Sprachkoordinatorin bei „Fluchtpunkt“, hilft den Kindern, ihre Hausaufgaben zu lösen.
(Foto: Sieglinde Reinhard)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
NIEDERNHAUSEN - „Ich bin überrascht, wie lange der Weg ist“, sagt Patricia Garnadt. Die Koordinatorin der Initiative „Fluchtpunkt Niedernhausen“ meint den Weg eines Geflüchteten hin zu einem richtigen Leben in unserer Gesellschaft: Deutsch lernen, eine Ausbildung absolvieren, einen Job und Freunde finden, sich im Ort integrieren. Seit drei Jahren kümmern sich rund 120 ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger um die alltäglichen Belange der aktuell 400 Flüchtlinge in Niedernhausen.
„Wir nehmen den Kindern das Ohnmachtsgefühl“
Inzwischen seien sie im ehrenamtlichen Betrieb angekommen, berichtet Garnadt. „Wir sind froh, dass wir unsere Angebote kontinuierlich zur Verfügung stellen können“, so die Koordinatorin weiter. Damit meint sie zum einen die „Fundgrube“, die Annahme und Ausgabe von Haushaltsgegenständen und Klamotten. 12 Frauen betreuen dieses Angebot, das zu einem „schönen Begegnungsort“ geworden sei. Zum anderen geht es um die „Tafelfahrten“, bei denen Ehrenamtliche die Flüchtlinge mit zwei, drei Autos von Niedernhausen nach Idstein fahren. Dort bekommen sie bei der Tafel kostenlose Lebensmittel.
Das Kerngeschäft der ehrenamtlichen Unterstützung bildet die Hausaufgabenhilfe. 14 Ehrenamtliche, darunter pensionierte Lehrer, Erzieherinnen und Krankenschwestern, betreuen rund 20 Kinder in der Lochmühle, der Lucas-Cranach-Straße und der Theißthalschule. Viele Kinder kommen aus Pakistan und Indien. Die Eltern verstünden die Sprache und die Aufgaben häufig nicht, berichtet Sprachkoordinatorin Karin Hänsch. Besonders viel Bedarf gebe es immer in Mathe. Da die ausländischen Eltern mit ihren Kindern kaum Brett- und Würfelspiele spielen würden, fehle es ihnen oft an Mengenvorstellungen. Hänsch unterstützt die Kinder auf Minijob-Basis fast jeden Tag: „Wir nehmen den Kindern und Eltern dieses Ohnmachtsgefühl. Sie wissen, wenn sie etwas nicht kapieren, sind wir für sie da. Es geht auch um emotionale Unterstützung.“ Die gelernte Logopädin fungiert als Mittlerin zwischen Eltern, Kindern und Lehrern und schaut, was jedes Kind braucht. Schulfrust soll gar nicht erst entstehen. Dringend gesucht werden weitere Nachhilfelehrer, aber mit Vorerfahrung. „Denn es ist wichtig, den Kindern Lösungswege aufzuzeigen, nicht die Ergebnisse vorzusagen“, betont Hänsch.
Durch Familiennachzug kein Ende des Bedarfs in Sicht
Seit dem Sommer gibt es zusätzlich noch ein Spielangebot in der Lochmühle. Nachdem die Hausaufgaben erledigt wurden, können die Kinder dort Kartenspiele und Memory spielen oder auf dem Matratzenlager entspannen. „Das Angebot ist eine große Hilfe für die Kinder, um in den Schulalltag zu wachsen“, habe die Theißthalschule positiv resümiert, sagt Karin Hänsch stolz und fügt hinzu: „Die Kinder können inzwischen alle Deutsch.“ Die Lehrer beobachten, wie die Kinder fröhlich und gelassen den Schulalltag meistern und ein positives Verhältnis zur Schule entwickeln, erzählt sie weiter.
Ein Ende des Bedarfs ist nicht in Sicht. „Inzwischen haben wir sogar einige Neugeborene in den Unterkünften sowie neue Familien aufgrund des Familiennachzugs“, so Garnadt. Außer von der Gemeinde kamen die Hauptgelder für „Fluchtpunkt“ von der Diakonie Hessen. Die Unterstützung der Diakonie läuft nach drei Jahren nun aber aus, sodass die Initiative künftig mehr denn je auf Spenden angewiesen sein wird. Außerdem fehlen der Initiative Sprachpaten. Einmal pro Woche treffen sich die Sprachpaten mit „ihren“ Flüchtlingen und reden über den Alltag. „Wir möchten gerne mehr Kontakt zu Deutschen“, höre Garnadt häufig von den betreuten Flüchtlingen. Ein Drittel der Bewohner in den beiden Kreisunterkünften seien anerkannte Flüchtlinge, die ausziehen müssten. Eine Wohnung zu finden, gestalte sich aber sehr zäh, weil die Kosten oft zu hoch seien und die Flüchtlinge mit Vorurteilen der Vermieter zu kämpfen haben. „Sprachpaten können die Wohnungssuche erleichtern“, so Garnadt.