Experten aus dem landesweiten Praxisbeirat diskutieren an der Niedernhausener Theißtalschule Lösungsansätze zur Beschulung von Seiteneinsteigern ohne Deutschkenntnisse
Von Lisa Bolz
Redaktion Rheingau-Taunus
Positive Zwischenbilanz: Der Praxisbeirat des Hessischen Kultusministeriums erarbeitet Lösungen, die allen Schulen in Hessen zugutekommen sollen. Foto: wita/Mallmann
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NIEDERNHAUSEN - Seine Hobbys sind Lesen, Singen, Malen und Sport, erzählt der zehnjährige Osama schüchtern. Seit zehn Tagen besucht er die Deutschintensivklasse (DiKla) an der Theißtalschule in Niedernhausen. Dort fand Anfang der Woche die sechste Tagung des vor rund anderthalb Jahren vom Hessischen Kultusministerium ins Leben gerufenen Praxisbeirates zur Flüchtlingsbeschulung statt.
Anschluss in das Regelschulsystem
In der Sitzung stellte Schulleiterin Gabriele Sobota das Beschulungskonzept der kooperativen Gesamtschule vor. Dort begann die Integration von Kindern ohne Deutschkenntnisse im Sommer 2015 mit der erste großen Flüchtlingswelle. Allerdings, das betonte Sobota, besuchten von Anfang an nicht nur Schüler aus Syrien und Afghanistan, sondern auch aus dem europäischen Ausland die DiKla der Theißtalschule. So wie Osama, der erst Anfang Dezember mit seiner Familie aus Spanien nach Deutschland gekommen ist. „Die Arbeit mit Kindern ohne Deutschkenntnisse wird uns die nächsten Jahre beschäftigen“, sagte Sobota. „Der Bedarf ist da, auch in der Grundschule.“ Deshalb werde man ab dem ersten Februar zusätzlich zu den Vorlaufkursen eine Intensivmaßnahme an der Grundschule einrichten. „Wir befinden uns in der Planungsphase“, sagte Sobota. Man sei außerdem in der Überlegung, als zusätzliche Qualifikation für die Schüler das Deutsche Sprachdiplom anzubieten.
Nach dem Unterricht in der Intensivklasse geht es für diese Schüler dann um den Übergang aus der Intensivbeschulung in die Regelklassen. Diesen Wechsel in die Regelklasse hat die 15-jährige Viktoria schon geschafft. „Meine Mitschüler helfen mir“, erzählte Viktoria. Vor zwei Jahren kam sie mit ihren Eltern aus Bulgarien nach Niedernhausen. Die 15-Jährige hat große Ziele: Sie will das Abitur machen und Medizin studieren. „Die Kinder werden einen guten Weg machen“, sagte Elke Schumann, Leiterin des DiKla-Teams und seit einem Jahr in der Schulleitung der Theißtalschule, vor den Mitgliedern des Praxisbeirates.
KOOPERATION VERNETZT EXPERTEN
Das Hessische Kultusministerium hat zur Unterstützung der hessischen Schulen im Sommer 2016 den Praxisbeirat zur Flüchtlingsbeschulung eingerichtet, um die örtlichen Staatlichen Schulämter, Schulträger und die Schulgemeinden an der Herausforderung der schulischen Integration zu beteiligen und diese zu unterstützen.
Der Praxisbeirat setzt sich aus Schulleitungen der unterschiedlichen Schulformen, Schulaufsichtsbeamten, Schulträgern aus dem städtischen und ländlichen Bereich, einem Vertreter des Landeselternbeirates und der Landesschülervertretung, einem Vertreter des Hauptpersonalrates und einem Vertreter der Lehrkräfteakademie zusammen.
Die Frage nach geeigneten Anschluss- und Übergangsperspektiven in das Regelschulsystem sowie in außerschulische Maßnahmen und in die duale Ausbildung für Schüler, die eine Intensivsprachfördermaßnahme erfolgreich durchlaufen haben, stand nun im Mittelpunkt der Überlegungen des Praxisbeirats. „Diese Übergänge werden das Entscheidende sein“, betonte Abteilungsleiterin Ute Schmidt stellvertretend für Kultusstaatssekretär Lösel. „Das wird schwierig bleiben“, sagte Schmidt.
Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde klar, dass Sprachförderung alle Lehrkräfte und alle Fächer betrifft. Das Motto „Jede Stunde ist eine Deutschstunde“ werde für einen Bildungserfolg wichtiger denn je. Der Praxisbeirat ruft daher zur Nutzung der umfangreichen Angebote in der Fort- und Weiterbildung im Bereich „Sprachsensibler Fachunterricht zur Förderung der Bildungssprache“ auf.
Seit 2014 sind über 45 000 sogenannte Seiteneinsteiger ohne Deutschkenntnisse an hessische Schulen gekommen. Aktuell werden rund 25 000 Seiteneinsteiger in Intensivmaßnahmen beschult, an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sind derzeit 1200 Intensivklassen eingerichtet.
Die Expertise aus der schulischen Praxis in den Arbeitsgruppen des Praxisbeirates zu bündeln, hat sich laut Schmidt bewährt. Nach rund anderthalb Jahren intensiver Zusammenarbeit fällt die Zwischenbilanz des Gremiums äußerst positiv aus. Das bisher wichtigste Arbeitsergebnis ist der durch den Praxisbeirat angeregte „Schulische Integrationsplan“.