Dienstag,
03.12.2019 - 03:00
3 min
Zukunft durch Genossenschaft? Ideen für den Gassenbacher Hof

Von Volker Stavenow
Bezirksredakteur (Sitz: Idstein)

Das war einmal: Marktleiter Andreas Roth im inzwischen geschlossenen Hofladen des Gassenbacher Hofs. (Archivfoto: Mallmann/AMP)
IDSTEIN - Unter dem Motto „Gassenbacher 2.0“ wollen Idsteiner Bürger mit einem eigenen Konzept den inzwischen geschlossenen Gassenbacher Hof in Idstein mit neuem, nachhaltigem Leben erfüllen. Viele Idsteiner haben mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass seit dem 1. Oktober mit dem Hofladen auch die letzte Einrichtung des Hofguts Gassenbach seine Pforten geschlossen hat. Die bisherige Pächterin, die Wiesbadener Jugendwerkstätten (WJW), hat den Vertrag mit dem Eigentümer des Geländes, dem Landeswohlfahrtsverband (LWV), zwar noch einmal um bis zu drei Jahre verlängert, will in dieser Zeit jedoch lediglich die Weideflächen und den Winterstall weiternutzen. Im Restaurant, der Metzgerei und im Hofladen konnten Idsteiner Produkte in Bioqualität kaufen, ohne zum Beispiel nach Wiesbaden zur Domäne Mechthildshausen fahren zu müssen.
Wirtschaftliches Risiko wird auf viele Säulen verteilt
Die Schließung für den Verkauf wollen aber nicht alle Idsteiner hinnehmen. Sie haben dafür nach eigener Aussage das frische, moderne und wirtschaftlich tragfähige Konzept „Gassenbacher 2.0“ entwickelt. Laut den Initiatoren entstand es aus einer Initialzündung des Vereins „Unabhängige Liste Idstein“ (ULI) und wurde im Verlauf eines Jahres mit breit gefächerter Expertise bereichert. So habe es einen Reifegrad erreicht, mit dem es inzwischen den relevanten Ansprechpartnern bei Wiesbadener Jugendwerkstätten, Landeswohlfahrtsverband, Magistrat der Stadt Idstein sowie dem Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, Frank Kilian, hätte vorgestellt werden können.
Die Idee sieht so aus: „Gassenbacher 2.0“ beantwortet die Frage der Zukunft des Hofguts langfristig, indem es das wirtschaftliche Risiko auf einander ergänzende Säulen verteilt: Ökologische Landwirtschaft und Vermarktung der auf dem Hofgut und von anderen regionalen Anbietern erzeugten Produkte, moderne On- und Offline-Möglichkeiten, Raumangebote für Einzelunternehmer, Handwerker und Kreative sowie ein Restaurant, Café und eine Bar, die in ein kulturelles Angebot integriert werden. Eine Vernetzung der Säulen untereinander erfolgt demnach über ein vielfältiges Bildungsangebot, das von Aus- und Weiterbildung über Bildungsurlaub bis zu Angeboten für Menschen mit Behinderungen führen wird und auch die Kleinsten, zum Beispiel mit einem Hofgut-Kindergarten, mitbedenkt.
Kommentare

Volker Stavenow
Kommentar zum Gassenbacher Hof in Idstein: Charmant
Voraussetzung ist städtische Unterstützung
Der „Gassenbacher 2.0“ soll genossenschaftlich organisiert werden. Neben den Hofgut-Bewirtschaftern könne sich auch jeder andere beteiligen und erhalte so die Möglichkeit für eine direkte und wirtschaftliche Teilhabe, Mitbestimmung und Identifikation, heißt es. Dabei lägen die vielfältigen Vorteile einer Genossenschaft nicht nur in der vor Ort erwirtschafteten Rendite für alle Einleger, sondern auch in der erhöhten wirtschaftlichen Sicherheit durch die effektive Kontrolle des Genossenschaftsverbandes.
Die treibenden Kräfte hinter „Gassenbacher 2.0“ – Ursula Oestreich und Birgit Anderegg – sind beide ULI-Gründungsmitglieder. Sie legen allerdings Wert auf die Feststellung, dass die Wiederbelebung des Hofguts natürlich eine politische Note habe, sie sie aber vor allem als eine unternehmerische Herausforderung betrachteten, der sich die beiden gestandenen Einzelunternehmerinnen auch persönlich stellen würden. „Wir freuen uns, unsere jahrzehntelange berufliche Erfahrung für dieses einmalige Projekt in die Waagschale werfen zu können und alles zu tun, um es zu einem Erfolg für die Stadtgesellschaft werden zu lassen“, führt Oestreich aus.
„Gründungserfahrung in verschiedenen Branchen, internationale Verhandlungsexpertise und jahrzehntelanges Projektmanagement plus fundierter Logistikausbildung – das alles sind Aspekte, die wir neben einer finanziellen Beteiligung persönlich einbringen werden, um das Projekt auf Kiel zu legen und zu begleiten“, pflichtet ihr Anderegg bei. Als Resultat vieler Gespräche mit Bürgern Idsteins hätten die beiden Unternehmerinnen bereits weitere Mitstreiter gewonnen, die relevantes Expertenwissen beisteuern würden. Um baldmöglichst konkrete Schritte gehen zu können, sei ein klares und verlässliches Bekenntnis zum Hofgut Gassenbach seitens der Stadt Idstein vonnöten.
„Wir werden niemanden dazu bewegen, die Genossenschaft mit Einlagen auszustatten, wenn die Stadt Idstein keine klare Unterstützung des Projekts zusagt“, so Oestreich. Und weiter: „Ebenso erwartet der LWV zunächst eine klare politische Willensbekundung bezüglich der stadtplanerischen Aspekte. Und auch wir möchten nicht in einigen Jahren vor einem Scherbenhaufen stehen, sollte sich die Stadt womöglich doch noch eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme in Form von Wohnbebauung für das Gelände vorbehalten.“
Um Interesse und aktive Unterstützung in der Idsteiner Bürgerschaft weiter auszubauen, soll das Konzept kurz nach dem Jahreswechsel auch der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das biete Bürgern die Möglichkeit, sich mit dem „Gassenbacher 2.0“ näher auseinanderzusetzen – auch hinsichtlich etwaigen eigenen Engagements in der geplanten Genossenschaft zur Rettung und Neuaufstellung des Hofguts.