Ökumene: In Idstein sind sich Protestanten und Katholiken so nah wie kaum irgendwo
Cornelia Sauerborn-Meiwes und Thorsten Leppek freuen sich über den „guten Geist“ der Idsteiner Ökumene. Foto: wita/Mallmann
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IDSTEIN - Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich vorgenommen, das 500. Reformationsjubiläum in großem Einvernehmen mit den Katholiken zu feiern und der Ökumene ein großes Gewicht zu verleihen. In Idstein sind die Gemeinden eng miteinander vernetzt, in den vergangenen Jahren feierten die Protestanten ihre Gottesdienste in der St. Martinskirche, als die Unionskirche saniert wurde. Cornelia Sauerborn-Meiwes (St. Martin) und Thorsten Leppek (evangelische Gemeinde) sind sich sicher, dass die Ökumene, wie sie in Idstein gelebt wird, nicht überall selbstverständlich ist.
Frau Sauerborn-Meiwes, die evangelische Kirche feiert das Reformationsjubiläumsjahr ziemlich groß. Sind Sie ein bisschen neidisch, dass die Protestanten derzeit so viel positive Aufmerksamkeit bekommen?
Sauerborn-Meiwes: Nein, ich freue mich über die Feiern zu „500 Jahre Reformation“. Ich bin nicht umsonst als katholische Theologin in Sachen Ökumene engagiert. Ich habe seit meiner Kindheit Beziehungen zur evangelischen Kirche, war dort auch ehrenamtlich tätig und denke, dass es angemessen ist, das Jubiläum groß zu feiern. Ich freue mich besonders, dass auch der Staat den 31. Oktober in diesem Jahr zum Feiertag in ganz Deutschland erklärt hat.
Cornelia Sauerborn-Meiwes und Thorsten Leppek freuen sich über den „guten Geist“ der Idsteiner Ökumene. Foto: wita/Mallmann Foto: wita/Mallmann
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Also können die Katholiken der Reformation, die ja lange nur als Spaltung wahrgenommen wurde, heute Positives abgewinnen?
Sauerborn-Meiwes: Ja, zumal Luther ja auch Katholik war und eigentlich keine neue Kirche gründen, sondern einfach reformieren wollte. Ich weiß auch nicht, ob es ihm recht war, dass sich dann eine eigene Kirche daraus gebildet hat. Es hat ganz sicher viele wichtige Impulse auch für die katholische Kirche gegeben, denn man hat dann vermehrt darüber nachgedacht, was vorher alles schiefgelaufen ist.
Herr Leppek, Ihre Kirche hat sich ja daraus gebildet, aber Sie arbeiten ökumenisch vielfältig in Idstein zusammen. Wie gut ist die Ökumene hier ausgeprägt?
ZUR PERSON
Cornelia Sauerborn-Meiwes, 55, ist seit 1992 mit Unterbrechung Pastoralreferentin der katholischen Pfarrei St. Martin Idsteiner Land und dort auch zuständig für das Thema Ökumene.
Thorsten Leppek, 36, ist seit zwei Jahren Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Idstein und dort verantwortlich für das Thema Ökumene.
Sauerborn-Meiwes und Leppek sind turnusmäßig abwechselnd Vorsitzende des ökumenischen Ausschusses in Idstein.
Leppek: Ich würde sagen ausgezeichnet. Meine eigene Ordination hat in St. Martin stattgefunden, da unsere Unionskirche gerade saniert wurde. Die Gastfreundschaft von St. Martin hat mich sehr berührt, da es nicht üblich ist, dass ein evangelischer Pfarrer in einer katholischen Kirche ordiniert wird. Da war sogar Propst Oliver Albrecht erst mal überrascht, hat aber dann in seiner Ansprache gesagt: „Das ist gut so.“ In Idstein herrscht insgesamt eine herzliche, offene, sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit und es gibt viele ökumenische Veranstaltungen, bei denen man sich austauschen kann. Das ist alles nicht selbstverständlich.
Hat Idstein Vorbildcharakter in Sachen Ökumene?
Leppek: Man sollte es nicht übertreiben, aber wir können schon sagen, dass wir hier sehr froh sind, dass es diese Idsteiner Ökumene gibt. Diesen Geist gibt es ja schon länger, als wir beide hier dabei sind.
Sauerborn-Meiwes: Ich kam 1991 nach Idstein und habe noch die Vorgänger der jetzigen evangelischen Pfarrer erlebt. Das hat gleich zwischen allen Beteiligten gepasst. Deshalb habe ich von Beginn an gerne in der Ökumene mitgearbeitet. Und auch heute wird diese Tradition weiter gepflegt. Unter Gläubigen und Ehrenamtlichen ist eine Gemeinschaft gewachsen. Man besucht gerne die Gottesdienste der anderen Gemeinde und feiert gemeinsam ökumenische Gottesdienste.
Wo gibt es noch etwas zu verbessern?
Sauerborn-Meiwes: Wir hatten früher einige gemeinsame inhaltliche Abende zu Fragen wie Schuld oder Eucharistie und auch Bibelabende, denen ich ein bisschen nachhänge. Diese inhaltlichen Abende sind leider etwas ins Hintertreffen geraten durch Umbaumaßnahmen an den Kirchen und Strukturmaßnahmen bei der neuen Großpfarrei. Ich werde aber nicht müde, da Neues mitzuentwickeln.
Auf welchen Feldern wird noch zusammengearbeitet?
Leppek: Seit zwei Jahren gibt es ökumenische Passionsandachten, ein neues Format in der Karwoche. Wir haben an Pfingstmontag und am 1. Advent ökumenische Gottesdienste. Da sind ja auch die Musiker eingebunden. Die Kantoren verstehen sich super und haben schon viele Konzerte gemeinsam veranstaltet. In unserem Posaunenchor spielen Katholiken mit, das ist alles verzahnt.
Das klingt alles sehr selbstverständlich.
Sauerborn-Meiwes: Ja, und es ist bestimmt etwas Besonderes, wenn der evangelische Posaunenchor bei uns die katholische Fronleichnamsprozession begleitet. Das gibt es sicherlich nicht so oft.
Leppek: Das stimmt, das kann ich nur unterstreichen.
Sauerborn-Meiwes: Seit vielen Jahren gibt es die ökumenischen Frauenfrühstücke und die Frauengottesdienste. Der nächste Punkt wären dann unsere interreligiösen Veranstaltungen.
Rückt die Ökumenearbeit in den Hintergrund, weil es vielleicht wichtiger ist, das Verständnis mit anderen Religionen zu fördern?
Sauerborn-Meiwes: Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die interreligiöse Begegnung schon seit 2008 unter Frauen gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde. Unter den Frauen treffen wir uns bis zu viermal im Jahr und tauschen uns zu unterschiedlichsten Themen aus: zum Ramadan, zum Advent oder insbesondere in diesem Jahr natürlich zur Reformation. Wir hatten in 2016 eine sehr gut besuchte Veranstaltungsreihe zu „Gewalt und Religion“ mit verschiedenen Gemeinden. Das war der Wahnsinn und hat uns gezeigt, dass auch unter Nicht-Gläubigen der Bedarf besteht, mit den religiösen Gemeinschaften in Idstein in Kontakt zu treten.
Leppek: Es war wunderschön, dass man miteinander ins Gespräch kommt und nicht nur übereinander redet. In Idstein funktioniert etwas, was woanders vielleicht gar nicht geht. Das fand ich sehr eindrücklich.