Der junge Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) gerät zunehmend ins Visier von Dr. Walter Veithausen, dem Leiter der Nervenheilanstalt (Sebastian Koch). Foto: Deutsches Filminstitut DIF e.V
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IDSTEIN - Zu Beginn des Films wird im Kinosaal noch getuschelt und gelacht. Doch nach wenigen Minuten ist es still. Die gut 40 Schüler der Niedernhausener Theißtalschule schauen wie gebannt auf die Leinwand. Und verfolgen im Idsteiner Taunus-Kino-Center im Rahmen der hessischen Schulkinowochen die Geschichte von Ernst Lossa im Drama „Nebel im August“ von Regisseur Kai Wessel.
In der Literaturverfilmung wird der 13-Jährige im Nazi-Deutschland der 1940er-Jahre in eine Nervenheilanstalt abgeschoben. Die Kinderheime, in denen er bisher lebte, beschrieben ihn als „asozial“ und „nicht erziehbar“. Der Start in die neue Anstalt scheint verheißungsvoll. Doch schon bald erhält Ernst einen Einblick in die grausame Maschinerie der Nationalsozialisten: In der sogenannten Heil- und Pflegeanstalt werden durch das Euthanasieprogramm systematisch körperlich und geistig behinderte Menschen getötet.
Blick auf eine Thematik, die nicht jedem präsent ist
Ein Film, der die Schüler beeindruckt. „Die Art, wie das Thema auf der Leinwand rübergebracht wird, ist sehr gut“, sagt Kim, die die zehnte Klasse der Theißtalschule besucht. „Es ist etwas ganz anderes, als wenn man Geschichte aus Schulbüchern lernt.“ Zumal der Film den Schwerpunkt auf eine Art der Verfolgung von Menschen lenke, die im Unterricht eine weniger präsente Rolle spiele. Denn meistens beschäftige sich der Unterricht mit der Judenverfolgung während der NS-Diktatur. „Durch die Darstellung im Film bekommt man einen Einblick, den man vorher nicht wirklich hatte“, ergänzt Klassenkameradin Johanna. Man könne die Geschichte der Opfer auf eine andere Weise nachvollziehen.
Die Hoffnung auf ein Happy End bleibt unerfüllt
Für die Schüler ist die Reise in die Vergangenheit mit dem Kinobesuch noch nicht abgeschlossen. Denn nur einen Tag später, am gestrigen Dienstag, besuchen die Schüler die Gedenkstätte der ehemaligen Nervenheilanstalt in Hadamar. „In der Verbindung mit dem Film erlaubt der Besuch in Hadamar den Schülern, einen tiefen Einblick zu gewinnen“, sagt Geschichtslehrerin Ann Kathrin Löffler, die den Film für den Besuch mit ihrer Klasse ausgewählt hat. „Das hat thematisch gut zusammengepasst.“ Auch deshalb erhoffe sie sich, dass die Gedenkstätte in Hadamar noch eindrucksvoller auf die Schüler wirke. Generell kommt der Film auch bei anderen Schulen gut an. „Er wurde fünfmal in zwei Wochen gebucht“, sagt Eva Wunderer, Geschäftsführerin des Taunus-Kino-Centers. „Das ist eine gute Zahl.“ Auch Wunderer beeindruckt die Thematik des Dramas, sie wollte es deshalb unbedingt im Idsteiner Programm haben. „Auch wenn der Film natürlich keine leichte Kost ist.“
Denn gerade am Ende müssen einige der Schüler schlucken. Und tief durchatmen. In den Schlussszenen wird klar, dass auch Ernst, der gemeinsam mit Oberschwester Sophie versucht, einige seiner jungen Mitpatienten zu retten, nicht überlebt und ein Opfer des Nationalsozialismus wird. „Man wünscht sich natürlich ein Happy End“, sagt Nils, der die neunte Klasse besucht. Und sein Mitschüler Leon ergänzt: „Man hofft, dass er aus der Anstalt entkommt und nach Amerika reisen kann.“ Doch gleichzeitig wissen die Schüler auch, dass der Film dann nicht die Realität der damaligen Zeit widergespiegelt hätte.
Der Abspann löst dann endgültig Betroffenheit im Kinosaal aus. Zum Schluss sind Ernst Lossas Einweisedatum und Todestag nachzulesen. Dazu flimmern Opferzahlen, die in die Hundertausende gehen, über die Leinwand. Und kurz danach sind die, aus heutiger Sicht, geringen Haftstrafen, der für die Morde verantwortlichen Menschen dokumentiert.
In einem Punkt sind sich die Schüler am Ende des Films einig: Es sei schwer zu begreifen, wie milde die Täter bestraft wurden. Und dass solche Morde überhaupt passieren konnten.