Über 100 Menschen demonstrieren in Bechtheim gegen AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus.
Von Volker Stavenow
Bezirksredakteur (Sitz: Idstein)
Mit ihren Plakaten demonstrieren Menschen in Bechtheim gegen eine Wahlkampfveranstaltung der AfD im Bürgerhaus.
(Foto: Stefan Gärth)
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BECHTHEIM - Dieses Hünstetter Dorf hat schon ruhigere Zeiten erlebt, am Donnerstag ist es dort laut: Über 100 Demonstranten begrüßen jedes AfD-Mitglied und jeden AfD-Sympathisanten mit Buh-Rufen. Sympathisant ist jeder, der die Stufen zum Bechtheimer Bürgerhaus hinaufgeht und im Saalinneren verschwindet. Europa-Wahlkampf in der Region – und diesmal ist der sonst so beschauliche Ort Bechtheim mittendrin. Spitzenkandidat Jörg Meuthen hat sich angesagt. Er mobilisiert den Widerstand der Initiative „Untertaunus gegen Rechts – Hünstetten bleibt bunt“. Die ruft zur Demo am Bürgerhaus auf – und das Dorf zeigt Flagge: „Bechtheim ist und bleibt bunt“ steht auf einem Pappkarton.
Dicht gedrängt stehen Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Vertreter politischer Parteien und Organisationen hinter der Absperrung am Bürgerhaus. Gut 30 Polizisten und Ordnungspolizisten, teils gut geschützt mit Westen, achten sehr genau darauf, dass sich AfDler und Demonstranten nicht zu nahe kommen. Als ein Demonstrant sein großes Protestbanner „Humanität statt Hetze“ auf dem Rasen vor dem Eingang des Bürgerhauses ausbreitet, ist sehr schnell ein AfDler zur Stelle, um es von der Wiese auf die Straße zu werfen. Er übt das Hausrecht für die AfD aus. Buh- und Schmährufe sind die Quittung für ihn.
Hünstettens Bürgermeister Jan Kraus (Hünstetter Liste) macht per Lautsprecher klar, dass er sich zwar nicht gerade über die AfD-Wahlkampfveranstaltung in Hünstetten freue, aber es aus seiner Sicht keine Möglichkeit gegeben habe, dies zu verhindern. „Die AfD ist eine zur Europa-Wahl zugelassene Partei und somit nicht verboten. Man muss nicht mit den politischen Inhalten übereinstimmen, aber eine solche Veranstaltung ist nicht zu verhindern.“ Kraus stellt klar, dass eine Demokratie das aushalten müsse. Hätte Hünstetten der AfD das Bürgerhaus nicht überlassen, hätte die AfD ihr Recht wahrscheinlich per Klage durchgesetzt. Jan Kraus ist anzumerken, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlt. Immerhin ist es die erste Auseinandersetzung dieser Art in Hünstetten.
„Deutschland ist gut, zusammen sind wir besser“ steht auf Pappe geschrieben. Junge Menschen halten sie hoch. Auf einem Banner ist eine Figur zu sehen, die das Hakenkreuz in den Abfalleimer wirft. „Halte Deine Umwelt sauber“ steht darunter. „Tu was gegen Rechts“ fordert „Die Linke“, „Bechtheim. Heimat und weltoffen“ steht auf einem kleinen Plakat, das eine Bechtheimerin auf dem Rücken trägt. „Zeigen Sie Ihren Protest. Dieses Recht steht Ihnen zu“, bekräftigt Rathaus-Chef Jan Kraus. Und genau das machen die Hünstetter. Als eine ältere Frau ins Bürgerhaus eilt, ruft ihr ein Demonstrant „Schäm Dich, Oma“ hinterher. Die Dame dreht sich um, winkt und lacht. Die Polizeibeamten lachen nicht. Mit unbewegten Mienen beobachten sie die Szene, bilden ein Spalier für Besucher der AfD-Veranstaltung. Schutz für alle Menschen – egal welcher politischen Couleur, Schutz der demokratischen Grundrechte.