Nostalgisches Scheunenfest: Die Meilinger feiern 900-jähriges Jubiläum
Von Thorsten Stötzer
Speed-Dating einmal anders bot die Tanzgruppe in historischen Gewändern beim Scheunenfest in Obermeilingen. Fotos: wita/Martin Fromme
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OBERMEILINGEN - „Ich fühle mich ehrlich gesagt falsch angezogen“, gesteht Peter Beuth, ehe er zu Beginn des Festwochenendes im Rahmen der Meilinger 900-Jahrfeier die Freiherr-vom-Stein-Ehrenurkunde übergibt. Eigentlich kann ein Minister bei einem öffentlichen Auftritt mit Anzug und Krawatte nichts falsch machen, doch in der Obermeilinger Ritterhalle herrscht eine andere Kleiderordnung.
Nur der Minister kommt in Anzug und Krawatte
Viele Akteure und Gäste sind nämlich im geschnürten Wams oder einem urigen Leinenhemd erschienen. Die derart Gewandeten laden bereits vor der Tür zu einem Mitmachtanz ein. Später führt diese Projektgruppe eine Darbietung auf der Bühne vor, die sie wegen der Pärchen-Bildung selbst scherzhaft „Speed-Dating“ nennt. Das Publikum schaut von Stühlen aus zu und von mit Sackgewebe bedeckten Strohballen.
Schließlich steht die Veranstaltung unter dem Motto Scheunenfest. Das illustrieren ein Ladewagen mit Holzrädern vor der Tür und Rechen, Trumm-Sägen und ein Erntekranz, die unter der Decke hängen. Die Bühne schmückt eine von Waltraud Hehle gestaltete Fahne mit Wappen. Vor ihr singt auch der von Jörg Weinand geleitete Projektchor, der mit seinen Liedern zum geselligen Feiern einlädt.
Speed-Dating einmal anders bot die Tanzgruppe in historischen Gewändern beim Scheunenfest in Obermeilingen. Fotos: wita/Martin Fromme Foto:
Die Freiher-vom-Stein-Ehrenurkunde überreichte Innenminister Peter Beuth den Ortsvorstehern von Nieder- und Obermeilingen: Birgit Kunz und Christof Gärtner. Foto:
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Es sei nicht selbstverständlich, dass zwei Nachbardörfer harmonisch miteinander feiern, meint Beuth. „Sie sehen sich als Meilinger“, folgert er daraus. Freundschaften und Partnerschaften hätten sich durch die Jubiläumsvorbereitungen noch vertieft, bestätigt Obermeilingens Ortsvorsteher Christof Gärtner. Landrat Frank Kilian äußert sich ebenso beeindruckt über Gemeinsinn und Traditionspflege.
„Wollen wir hoffen, dass diese Eiche so wächst wie Ihre Dörfer“, sagt Heidenrods Bürgermeister Volker Diefenbach, als er einen jungen Baum schenkt. Vom Werden der beiden Meilingen berichtet anschließend Ralf Schmidt als Vorsitzender des Heimatvereins Heidenrod. Mit der Urkunde aus dem Jahr 1117 erfolgte die erste Erwähnung, doch gelebt haben müssen Menschen dort schon früher.
Über 3300 Jahre alte Holzkohle gefunden
Im Pfaffenwald zwischen Obermeilingen und Zorn entdeckte Holzkohlestücke ließen sich auf 1300 Jahre vor Christus datieren. Von Kelten und Römern wechselt der Vortrag zu Alamannen und Franken und schließlich zu den Grafen von Katzenelnbogen und Nassau. Aber auch von den ersten namentlich bekannten, 1260 dokumentierten einfachen Einwohnern erzählt Schmidt. Sie hießen Wasmut und Wolfram, Hedwig oder Hildegunde. Von Konrad ist bekannt, dass er von Beruf Weber war.
„Die gute alte Zeit war geprägt von Armut“, gibt Ortsvorsteherin Birgit Kunz aus Niedermeilingen zu bedenken. Jeder habe den anderen gebraucht, um das Überleben zu organisieren – etwa bei der Dreifelder-Wirtschaft. „Dorfleben bedeutet, den Spitznamen des Vaters vererbt zu bekommen“, sagt sie über das Heimatgefühl, das Günter Schneider mit einem Gedicht steigert, bei dem der „Abé auf der Puddelkaut“ eine wichtige Rolle spielt. Danach wird die Ritterhallen-Scheune zum Tanzboden dank der Meilinger Musikanten. Es wird gefeiert im Wams und mit Schlips.