„Wer eine unberührte Natur will, ist dagegen, dass die Arten zurückkommen, die wir verloren haben: Der Biologe Werner Kunz referiert beim Imkertag in Bad Schwalbach.
Von Hendrik Jung
Die Anzahl an Kiebitzen ist in den vergangenen Jahren extrem zurückgegangen.
(Archivfoto: dpa)
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BAD SCHWALBACH - Naturschutz ist nicht dasselbe wie Artenschutz. Das macht Biologe Werner Kunz in seinem Vortrag im Rahmen des 50. Hessischen Imkertags im Kurhaus Bad Schwalbach deutlich. „Wer eine unberührte Natur will, ist dagegen, dass die Arten zurückkommen, die wir verloren haben“, betont der emeritierte Professor. Die Ursache dafür, dass sich die Situation in Mitteleuropa in dieser Hinsicht anders darstellt, als in anderen Teilen der Welt, liegt weit zurück. Denn während der Eiszeiten des Pleistozäns, das bis vor 10 000 Jahren dauerte, sind die meisten einheimischen Arten ausgestorben.
Maximale Artenvielfalt vor 200 Jahren erreicht
Weil ihnen Gebirge wie die Pyrenäen, die Alpen und die Karpaten im Weg gewesen sind, konnten sie der Kälte nicht ausweichen. In die im Anschluss durch den menschlichen Holzbedarf über Jahrtausende geprägte Landschaft sind in der Folge Tiere aus den mediterranen Lichtwäldern sowie aus den Steppen des Ostens eingewandert. „Es gibt nur wenige Arten wie den Schwarzstorch oder den Specht, die dichte Hochwälder brauchen“, verdeutlicht Werner Kunz. Die Mehrzahl jedoch profitiere in Mitteleuropa gerade nicht vom Prozessschutz, bei dem auf Eingriffe in die Natur verzichtet werden soll. So sei die maximale Artenvielfalt in Deutschland vor rund 200 Jahren erreicht gewesen. Seitdem seien 61 Prozent der ursprünglich 186 Tagfalter-Arten entweder ausgestorben oder die Zahl ihrer Vorkommen sinke. Lediglich zwei Prozent hätten von der zunehmenden Vegetation profitiert. Bei Kiebitz und Rebhuhn, deren Anzahl in den vergangenen Jahren extrem stark zurückgegangen ist, handele es sich ebenfalls um Tiere, die einst aus offenen Lebensräumen eingewandert sind.
Dass solche in Deutschland kaum noch existieren, habe einerseits mit der Einführung des Forstprinzips der Nachhaltigkeit zu tun, vor allem aber mit dem Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Dadurch, dass etwa der Stickstoff durch Niederschläge auch in abgelegene Gebiete transportiert werde, gebe es kaum noch karge, nährstoffarme Böden. Solche Habitate fehlen nun zahlreichen Insekten. Flächen, die sich dem Menschen als grüne Oase präsentierten, seien aus dem Blickwinkel des Artenschutzes eigentlich Wüsten. Werner Kunz plädiert daher dafür, dass solche Lebensräume in Zukunft künstlich geschaffen werden, und hofft dabei insbesondere auf Hilfe aus der Forst- und Landwirtschaft. Dort sollte seines Erachtens nach in Zukunft Wert gelegt werden auf Wälder mit unterschiedlichen Wuchshöhen oder das Anlegen von kleinen offenen Sand-Flächen. Die Simulation nährstoffarmer Flächen durch Abtragung der Vegetation würde er sich bereits in der land- und forstwirtschaftlichen Ausbildung verankert wünschen. Dass diese Herangehensweise erfolgreich sein könnte, lasse sich an der Artenvielfalt von Lebensräumen wie militärisch genutzten Flächen, Flughafen-Geländen und Industriebrachen ablesen.