Russische Seele, Rheingauer Herz: Federzeichnungen in Oestrich
Aus St. Petersburg nach Walluf: Anna Conrad-Sachnovskaias Federzeichnungen zeigen ihre Liebe zur neuen Heimat. Vernissage ist am 17. Februar im Oestricher Restaurant „Altes Rathaus“.
Von Jutta Schwiddessen
Redaktion Rheingau-Taunus
Die Kunst soll wieder mehr Raum in ihrem Leben haben: Anna Conrad-Sachnovskaia.
(Foto: DigiAtel/Heibel)
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WALLUF - „Welches von meinen Leben soll ich erzählen?“, scherzt Anna Conrad-Sachnovskaia und meint es doch auch ernst. Künstlerin, alleinerziehende Mutter, Förderschullehrerin, Russin mit der Seele, Rheingauerin mit dem Herzen – und alles gehört irgendwie zusammen. Wir bleiben erst mal bei der Kunst. Die stand im Mittelpunkt von Kindheit und Jugend in St. Petersburg und soll jetzt wieder eine zentralere Rolle im Leben der 48-Jährigen einnehmen, die heute in Walluf lebt und an der Max-Kirmsse-Förderschule in Idstein unterrichtet.
„Eine Kulturlandschaft ohne jeden Kitsch“
In ihren mit Aquarellfarben schattierten Federzeichnungen hat Anna Conrad-Sachnovskaia zahllose Rheingauer Motive festgehalten. Handwerkliche Perfektion, die sie als Jugendliche an der Kunstakademie St. Petersburg erworben hat, steht im Vordergrund. Und doch fangen ihre Bilder auch den Geist der alten Straßen, Mauern und Rebenlandschaft ein, die für die Künstlerin „die schönste Landschaft Deutschlands ist, eine harmonische Kulturlandschaft ohne jeden Kitsch“. Dass sie hier eine neue Heimat gefunden hat, hängt mit den Folgen der politischen Wende in der Sowjetunion zusammen und der Tatsache, dass die alleinerziehende Mutter sich schon in Russland aus praktischen Gründen entschieden hatte, die Kunst auf Eis zu legen und Lehrerin zu werden. Damit habe sie damals aber nicht wirklich überleben können, sagt sie.
So traf es sich gut, dass der Vater, Architekt von Beruf, eine Gastprofessor in Wiesbaden hatte. Conrad-Sachnovskaia lernte die Stadt kennen, fand dort eine neue Liebe und kam im Jahr 2000 ganz nach Deutschland. Der vermeintliche Traummann war dann zwar keiner, aber die Liebe zum Rheingau blieb, auch wenn die russische Seele den eisigen St. Petersburger Winter mit seinem glitzernden Schnee auf den Dächern, Kuppeln und am Ufer der Newa vermisst.
„Ich bin ein Beispiel gelungener Integration“, sagt Conrad-Sachnovskaia, die im Rheingau dann übrigens doch den Mann fürs Leben gefunden hat. „Das sage ich auch Eltern meiner Schüler, wenn sie klagen, wie schwer sie es in der Fremde haben: Wenn man will, hat man hier eine Ausbildung, einen Job und ein neues Leben!“ Für sie bedeutete das erst mal: ein Kunststudium in Frankfurt, bei dem sie sich durch alle Genres inklusive der Bildhauerei hindurch schnupperte. Am Ende war ihr klar, dass sie nicht für ein Leben im Kunstbetrieb geschaffen ist, der „Neues, nie Dagewesenes“ verlangt.
„Ich bin das, was man auf meinen Bildern sieht“, sagt sie und ist durchaus stolz auf ihre künstlerische Bodenständigkeit, die im Rheingau übrigens gut ankommt. Die Stadt Eltville hat gleich ein ganzes Dutzend an Stadtmotiven fürs Rathaus gekauft. Die Kunst wurde also auch in der zweiten Heimat nicht Beruf. Conrad-Sachnovskaia holte stattdessen die fehlenden Voraussetzungen fürs Lehramt in Deutschland nach und unterrichtet als Förderschullehrerin Kunst und Mathematik – zunächst an der Wiesbadener Wichernschule, jetzt an der Idsteiner Kirmsse-Schule.
Gemalt hat sie aber immer, draußen in der Natur. „Dabei tanke ich Energie und Ruhe, denn wir sind alle immer zu schnell, beschäftigen uns zu wenig mit dem, was wir sehen.“ Bisher hat sie sich „nicht so recht getraut, mit der Kunst rauszukommen“. Das soll sich jetzt ändern. Mit der ersten Einzelausstellung ihrer Arbeiten im barocken Ambiente des Restaurants „Altes Rathaus“ in Oestrich. Vernissage der Ausstellung von Aquarellen und Federzeichnungen unter dem Motto „Rheinromantik neu entdeckt“ ist am Sonntag, 17. Februar, um 11 Uhr. Die Arbeiten sind danach im historischen Raum des Speisesaals zu sehen.