Erstes Rheingauer Handelsforum widmet sich Internethandel
Um Läden trauern, bei Amazon kaufen – so verhalten sich viele Verbraucher. Im ersten Rheingauer Handelsforum wurde gezeigt, wie kleine Einzelhändler darauf reagieren können.
Von Oliver Koch
Redaktion Rheingau-Taunus
Viele Verbraucher kaufen gerne online – für kleine Einzelhändler sowohl Risiko als auch Chance.
(Archivfoto: William W. Potter – stock.adobe)
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OESTRICH-WINKEL - Um lokale Läden trauern, aber bei Amazon einkaufen – glaubt man Markus Kapler, legen viele Konsumenten dieses fast schizophren anmutende Gebaren an den Tag. Das Wort „schizophren“ nimmt der Geschäftsführer einer Internetverkaufsplattform für lokale Händler freilich nicht in den Mund, spricht stattdessen von „absurdem Kundenverhalten“. Das hätten Studien belegt.
Die Teilnehmer des ersten Rheingauer Handelsforums lauschen den Ausführungen mit Interesse – schließlich sind unter den Gästen im Oestricher Bürgerzentrum nicht nur Lokalpolitiker, sondern auch etliche Gewerbetreibende. Zu dem neuen Format haben Eltville, Geisenheim und Oestrich-Winkel beziehungsweise die Wirtschaftsförderer der drei Städte eingeladen.
„Wir sind eine starke Region, aber Handel und Gewerbe sind oft unterrepräsentiert“, sagt Benjamin Meyer von der Wirtschaftsförderung Oestrich-Winkel. Seine Eltviller Kollegin Barbara Lilje weist darauf hin, dass im Rheingau Stadt- und Gemeindegrenzen beim Einkaufen verschwänden. Und Geisenheims Bürgermeister Christian Aßmann (parteilos) macht deutlich, dass man Herausforderungen besser gemeinsam meistere.
„Kein Grund für Verbraucher, Konsumimpuls zu verschieben“
Eine solche Herausforderung ist sicherlich die Online-Konkurrenz, der sich kleine Einzelhändler ausgesetzt sehen. Kaplers These: Zum Kauf bei Amazon und Co. fehle schlicht und ergreifend die Alternative. Für die Kunden, insbesondere die jüngeren unter ihnen, welche die Konsumgesellschaft von morgen darstellen, gibt es seiner Ansicht nach „keinen Grund, Konsumimpulse zu verschieben“. Will heißen: Warum mit dem Kauf der DVD warten, wenn die Geschäfte gerade geschlossen sind, man aber bequem vom Sofa aus online bestellen kann? Rund 63 000 Läden seien innerhalb von zehn Jahren verschwunden, so Kapler. Die klassischen Ladenverkäufe stürben aus – was laut Kapler aber zugleich der Grund ist, warum sich Unternehmen online zeigen müssen.
Die Problembeschreibung liegt damit vor, doch wie könnte die Lösung aussehen? Eine Möglichkeit skizziert Alexander Arend, Mitbegründer und einer der Geschäftsführer von Zmyle. Das Unternehmen bietet online Gutscheine zum Kauf an, die sich etwa über eine Kurznachricht oder per Mail verschenken und dann bei lokalen Händlern einlösen lassen. Welche das sind, steht auf einer Homepage. Dem Händler überweist Zmyle das Geld von einem Treuhandkonto.
Inzwischen konzentriert sich Zmyle Arend zufolge auf die Weiterentwicklung „Stadtgutschein“, die sich an Werbegemeinschaften richtet. Dadurch soll der Coupon in der gesamten Kommune einlösbar sein, für die es ein individualisiertes Internetportal gibt. Im Schnitt 6800 Euro pro Jahr nähmen Geschäfte über die Gutscheine ein, beantwortet Arendt eine entsprechende Frage aus dem Publikum. 50 Prozent des Gutschein-Umsatzes fließe von außerhalb in die Stadt. Wie hoch denn die Provision sei, will ein Händler wissen. Im Basismodell drei Prozent beziehungsweise 4,9 Prozent plus 19 Cent auf den Entwertungsbetrag, je nachdem, ob es sich um einen gedruckten oder um einen Online-Gutschein handelt.
Einen anderen Weg beschreitet das von Kapler gegründete Locamo, das Läden auf einem digitalen Marktplatz zusammenbringt. Auf lokale Online-Marktplätze habe man wegen der dann geringen Zahl der Produkte zunächst verzichtet. „Der Konsument nimmt das nicht an.“ Zwar lassen sich auf der Locamo-Homepage gezielt Händler aus der Nähe auflisten. In der Regel wird der Kunde aber nach einem Produkt suchen, das ihm dann sortiert nach den Händlern in der Nähe angezeigt wird. Der Kunde holt die Ware dann vor Ort ab oder bekommt sie direkt vom Händler geschickt.
Ob denn hier Regionalität die Preissensibilität schlage, will ein Besucher wissen. Das sei seine These, so Kapler. Wieso er nicht gleich auf dem Amazon-Marktplatz verkaufen solle, fragt ein Händler. Weil die Gebühren bei Locamo geringer seien – im Premium-Paket 39 Euro pro Jahr plus, je nach Warenkategorie, eine Verkaufsgebühr zwischen drei und neun Prozent – und Locamo nicht Konkurrent der Händler sei, erwidert Kapler.