Museum in der Brömserburg bot Christusfigur als Ersatz an
Weil die Holzfigur, die die Lorchhäuser zur Restaurierung in die Burg gebracht hatten, spurlos verschwand, bot das Museum als Ersatz die Christusfigur aus Eibingen an.
Von Barbara Dietel
Dorfarchivar Hans Nies kann belegen, wie der Christus nach Lorchhausen kam.
(Foto: Heinz Margielsky)
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LORCHHAUSEN - In einer Felsnische in Lorchhausen, das berichteten wir unlängst, ist die verschwundene Christusfigur aus der Brömserburg wieder aufgetaucht. Doch wie kam sie dorthin? Die Geschichte von den verschwundenen Leihgaben der Pfarrgemeinde St. Hildegard wird immer kurioser. Die stark beschädigte Christusfigur aus grauem Sandstein, die die Kirchengemeinde 1949 dem Heimatmuseum leihweise überließ, war gerade mal zehn Jahre in der Brömserburg, wie sich nun herausstellt. „Am 20. September 1959 wurde sie in feierlicher Prozession in der Grotte im Tal eingesegnet“, zitiert Dorfarchivar Hans Nies aus der Lorchhäuser Pfarrchronik. Im Retzbachtal oberhalb des Weinguts König steht sie nun also schon bald 60 Jahre in einer Felsnische.
Das Ereignis hat, wie schon Pfarrer Hermann-Josef Noll seinerzeit in der Pfarrchronik festhielt, eine „interessante Vorgeschichte“. In der Felsnische habe jahrhundertelang eine Holzfigur des Heilands am Ölberg gestanden. Sie sei jedoch stark angefault und von Schädlingen zerfressen gewesen, schrieb Pfarrer Noll. 1956 wurde sie in die Restaurierungswerkstatt des Rheingauer Heimatmuseums in der Brömserburg gebracht. Man wollte sie wenigstens als Torso erhalten. Die alte Figur verschwand jedoch auf rätselhafte Weise in der Brömserburg.
Albert Herrmann restaurierte die Figur
Darauf, so schreibt der Pfarrer, „bot uns das Heimatmuseum eine andere Figur aus Sandstein an. Sie war stark (offenbar durch Brand) beschädigt und wurde in mühseliger wochenlanger Arbeit durch Bildhauer Albert Herrmann, wohnhaft in Aulhausen – sein Vater stammte von hier –, restauriert“. So, wie es der Rüdesheimer Stadtarchivar Reinhold Nägler schon vermutet hatte.
Dorfarchivar Hans Nies kann belegen, wie der Christus nach Lorchhausen kam. Foto: Heinz Margielsky
Das Foto aus dem Dorfarchiv in Lorchhausen zeigt die Einsegnung des neuen Heilands in der Felsnische im Retzbachtal am 20. September 1959. Foto: Dorfarchiv Lorchhausen
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Dauerleihgabe an die Zivilgemeinde
Ein Schreiben des Museums an die Zivilgemeinde Lorchhausen vom August 1959 bestätigt die Angaben des Pfarrers, wie Nies erzählt. Mitgeteilt wird, dass die Figur renoviert sei und abgeholt werden könne. Außerdem werde die Gemeinde gebeten, zu bestätigen, dass sie die Plastik als „Dauerleihgabe“ erhalten habe. „Wie kann das Museum eine Figur herausgeben, die ihr gar nicht gehört?“, fragt sich der Dorfarchivar, der allerdings auch die Frage aufwirft, ob die Pfarrei St. Hildegard – heute Teil der Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau – tatsächlich der Eigentümer sei. Schließlich sei sie wahrscheinlich nur nach Eibingen gekommen, weil dies die nächstgelegene Kirche gewesen sei.
SUCHE NACH DER CHRISTUSFIGUR
Die Suche nach dem Christus aus der Brömserburg, der seit fast 60 Jahren in Lorchhausen steht, begann eigentlich schon 2005, als die Stadt Überlegungen anstellte, wie es mit der Brömserburg weitergehen solle. Dietmar Mayer, damals Vorsitzender des Verwaltungsrates von St. Hildegard, fragte bei der Stadt nach dem Verbleib der Leihgaben. Damals erhielt er die Auskunft, es sei alles noch da.
Als Bürgermeister Volker Mosler im April vergangenen Jahres mit Mayer die Burg von oben bis unten durchging, war keines der Exponate zu finden. Was die Kirchengemeinde Heilig Kreuz dazu veranlasste, vorsorglich Ersatzansprüche an die Stadt Rüdesheim zu stellen. Schon damals versicherte Pfarrer Marcus Fischer, dass es nicht ums Geld gehe, sondern darum, dass mit Dingen, die einst der Kirche anvertraut wurden, sorgsam umzugehen sei. Bis auf die Reste eines Altaraufbaus ist inzwischen alles wieder da.
Stadtarchivar Reinhold Nägler machte sich noch einmal auf die Suche und entdeckte erst den vermissten Torso in einer Ecke in der Burg und später auch die Reste des alten Taufsteins auf einem kleinen Balkon der Brömserburg. Unter den Karteikarten, die nach der Entrümpelung der Brömserburg stapelweise im Stadtarchiv landeten, fiel ihm schließlich das 1959 aufgenommene Foto einer Christusfigur in die Hände – so eine, wie sie auf der Empfangsbescheinigung von 1949 im Museum aufgeführt war und wie er sie in Lorchhausen schon gesehen hatte.
Denn tatsächlich stammt die Figur aus dem Kloster Nothgottes, wie Anneliese Triller in dem Büchlein „Nothgottes im Rheingau“ schreibt, das Dorfarchivar Nies ebenfalls hat. Auf die Quelle bezieht sich auch Pfarrer Noll. Triller schrieb in dem Büchlein, das vom Frauen-Seelsorgeamt der Diözese Limburg 1954 herausgegeben wurde, dass die Figur Teil des ehemaligen Hochaltars in Nothgottes gewesen sei. Nach der Aufhebung des Klosters sei der Hochaltar in die Pfarrkirche nach Eibingen gekommen, wo er 1932 bei dem Brand schwer beschädigt worden sei. „Heute ist von ihr nur noch eine lebensgroße kniende gotische Christusfigur übrig geblieben, die im Museum Brömserburg in Rüdesheim steht“, schrieb Anneliese Triller.
Dass die stark beschädigte Figur, die die Pfarrgemeinde Heilig Kreuz vermisste, und der Heiland aus der Lorchhäuser Felsgrotte – wieder mit Händen und gefasst, wie der Experte die farbliche Gestaltung einer Skulptur nennt – ein und dieselbe Figur sind, hatte Stadtarchivar Reinhold Nägler entdeckt. Und die Lorchhäuser ganz schön ins Schwitzen gebracht. Doch ihre Befürchtung, sie müssten ihren Heiland wieder zurückgeben, ist überflüssig. Die Pfarrei Heilig Kreuz hat bereits signalisiert, dass der „Heiland im Tal“, wie er in Lorchhausen genannt wird, an seinem angestammten Platz bleiben könne.