Weil Servicekräfte fehlen: Lokale im Rheingau reduzieren Öffnungszeiten
Fachkräfte, dringend gesucht. Doch die Gastronomie im Rheingau sucht oft erfolglos. Das hat Gründe. Und Konsequenzen.
Von Jutta Schwiddessen
Redaktion Rheingau-Taunus
Kein Mittagstisch im Hotel Central in Rüdesheim. Foto: Stiebler
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RHEINGAU - „Heute kein Mittagstisch!“ Immer öfter taucht das Schild an den Türen Rheingauer Gastronomiebetriebe auf. Manche haben ihre Öffnungszeiten generell drastisch reduziert, öffnen nur noch an vier oder fünf von sieben Tagen. Droht der Rheingau gastronomisch auszutrocknen? An den Gästezahlen liegt es nicht, sondern am Personalmangel in der Saison-Gastronomie, der den Rheingau aus Sicht der Betriebe besonders hart trifft.
Mit sechs Fachkräften statt 14, die er normalerweise in der Hochsaison beschäftigt, muss Markus Neugebauer vom gleichnamigen Hotel an der Landstraße nach Stephanshausen zur Zeit auskommen. Als vor wenigen Wochen noch einer seiner langjährigen Stammkellner krank wurde „und wir absolut keinen Ersatz finden konnten“, gab es für Neugebauer keine Alternative mehr: „Wir haben im Restaurant jetzt Montag und Dienstag Ruhetag, und 2019 werden wir den Mittagstisch komplett abschaffen.“
Klemens Stiebler, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Rheingau und Chef des „Central Hotel Rüdesheim“, kennt das Problem. Der Fachkräftemangel ist nicht neu, sagt der erfahrene Gastronom, aber er werde immer brisanter: „Es macht sich eben bemerkbar, dass es immer weniger Auszubildende in unserer Branche gibt. Laut IHK-Statistik reduzierte sich die Zahl der Ausbildungsverträge für Fachkräfte im Gastgewerbe von 30 im Jahr 2013 auf 16 im Jahr 2017. Stiebler: „Im Service lässt sich nicht alles mit Aushilfskräften stemmen. Wenn viel los ist, brauchen Sie erfahrene, gute Kellner“, damit die Kunden zufrieden sind und am Ende auch die Abrechnungen stimmen.
Die für die Landeshauptstadt und den Rheingau-Taunus-Kreis zuständige Industrie- und Handelskammer in Wiesbaden bestätigt, dass die Zahl der Auszubildenden im gesamten Gastronomiegewerbe von rund 300 im Jahr 2007 auf 190 in diesem Jahr gesunken ist. Allerdings: Wer Ausbildungsplätze anbiete, könne in der Regel auch noch bedient werden, sagt IHK-Pressesprecherin Melanie Dietz. Die IHK sieht denn auch einen Grund für den beklagten Personalmangel darin, „dass gerade im Rheingau mehrere große Hotels geschlossen haben und nicht mehr ausbilden“.
Auf einem anderen Blatt, so Dietz stehe die Situation bei Saisonkräften und ausgelernten Kräften. Der Rheingau, sagt der lokale Dehoga-Sprecher Stiebler, bekommt hier vom ohnedies kleinen Personalkuchen besonders wenig ab, denn Fachkräfte arbeiteten lieber in Wiesbaden oder Frankfurt als in der Provinz. Markus Neugebauer weiß davon ein Lied zu singen. Schon im September bemüht er sich um Fachkräfte fürs Folgejahr, gibt allein 3.000 bis 4.000 Euro jährlich für die Suche auf teilweise kostenintensiven Personalplattformen aus: „Aber da war einfach niemand zu finden, keine Putzfrau, keine Servicekräfte, nichts“. Dabei zahle der Betrieb Tarifgehalt oder mehr.
„Ein großes Problem ist hier die Konkurrenz aus Österreich und der Schweiz“, sagt die Rüdesheimer „Lindenwirtin“ Franziska Ohlig-Dichtl, denn bewährte Fachkräfte, oft aus Tschechien und der Slowakei, „gehen lieber nach Österreich und in die Schweiz, wo das Lohnniveau viel höher ist!“ Auch wenn sie es in diesem Jahr geschafft habe, ein gut funktionierendes Team zusammenzustellen: „Rüdesheim mit seinen vielen Saisonbetrieben trifft der Personalmangel besonders hart. „Da bleibt vielen nichts anderes übrig, als die Leistung zu reduzieren“, sagt der Chef des Central-Hotels Stiebler. „Als Familienbetrieb können wir unserem Haus Vieles auffangen“, aber auch sein Restaurant bleibt inzwischen mittags oder nachmittags öfter mal zu. „Was man dagegen tun kann? Ich weiß es nicht.“ Da müsse eben jeder seinen Weg finden.
„Unsere Branche war schon immer Multi-Kulti“
Flüchtlinge anzulernen ist für Stiebler durchaus eine Option, „schließlich war unsere Branche schon immer Multi-Kulti“, sagt der Hotelier, der selbst einen jungen Albaner anlernt und hochzufrieden ist. Andere Gastronomen, wie die „Lindenwirtin“ aus der Drosselgasse haben andere Erfahrungen gemacht: „Mal kamen sie, mal nicht, manche blieben ganz weg. Wie mit Deutschen auch, kann man hier Glück oder Pech haben. Bei uns hat es leider nicht gut geklappt.“
Flüchtlinge anzulernen, ist auch aus Sicht der IHK ein guter Weg: „Die Betriebe allgemein – und besonders die in der Gastro-Branche – zeigen sich hier sehr aufgeschlossen“, sagt Dietz. Weshalb die IHK in einem Projekt auch schon Deutschunterricht speziell für Flüchtlinge, die in der Gastronmie arbeiten, unterstützt hat. Und am 27. August gibt es wieder ein „Speed-Dating für Betriebe und Geflüchtete“, bei dem beide Seiten schon mal schauen können, ob sie zueinander passen würden.