Häusliche Gewalt: Kampagne holt das Thema aus der Tabu-Zone
Zeichen erkennen und im Notfall als Außenstehender eingreifen: Das Projekt AusWege der Hochschule Rhein-Main nimmt Gewalt in Paarbeziehungen genauer unter die Lupe.
Von Christine Dressler
Für Außenstehende, Freunde und Nachbarn sind Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen meist unsichtbar. Nur selten trauen sie sich an die Öffentlichkeit. Das neue Forschungsprojekt soll deshalb für Aufklärung sorgen.
(Symbolbild: dpa)
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RHEINGAU-TAUNUS - Gewalt, die Männer ihren Partnerinnen in Deutschland antun, endet alle drei Tage tödlich. Zum Leid der Frauen und involvierten Kinder kostet Gewalt in Paarbeziehungen (GiP) die Allgemeinheit pro Jahr rund vier Milliarden Euro für Polizeieinsätze, Justiz, Behandlung und Arbeitsausfall. Trotzdem schützt GiP ein Tabu. „Niemand möchte etwas damit zu tun haben“, aber „wir wollen dem Ver- und Beschweigen etwas entgegensetzen“, sagt Reinhild Schäfer. Die Professorin des Fachbereichs Sozialwesen in der Hochschule Rhein-Main leitet das vom Bund geförderte und vielfältig kooperativ verzahnte Pilot-Forschungsprojekt „Auswege“. „Aufs Spiel setzen: Neue Wege der Prävention und Hilfe bei Gewalt in Paarbeziehungen im ländlichen Raum“ läuft von August 2020 bis Juli 2024 im Rheingau-Taunus. Die Ergebnisse werden bundesweit ausstrahlen. Nach zwei von fünf Phasen der Öffentlichkeitskampagne im Kreis zieht Schäfer eine Zwischenbilanz.
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Infostände erreichen große Reichweite
„Die im Privaten ausgeübte Gewalt betrifft letztendlich das gesamte Gemeinwesen“, betont Schäfer die gravierenden individuellen und gesellschaftlichen Folgen. Gewalt soll am Ende des Projekts niemand mehr im Kreis dulden, sondern helfen oder Hilfe holen, wenn zum Beispiel in der Wohnung nebenan Schreie zu hören sind. „Es geht um die Frage, wie es gelingen kann, die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren.“ Um das auszuloten, umfasst die Kampagne bis zur Zukunftswerkstatt und Evaluation Informationsmaterial, Computerspiel und Aktionen wie Lesungen, Filme, Ausstellungen, Theaterstück und interaktiven Infostand.
Hilfe
Falls Sie oder eine Ihrer Bekannten von Gewalt betroffen sind, melden Sie sich bitte bei dem Hilfetelefon der Bundesregierung unter 08000 116 016.
Auch online können Sie sich rund um die Uhr beraten lassen. Gute Deutschkenntnisse sind zur Beratung nicht erforderlich. Hier gelangen Sie zu mehr Informationen.
Letzterer, den mehr als 50 Frauen, Kinder und Männer in Geisenheim besuchten, habe die größte Reichweite erzielt, freut Schäfer der Erfolg des niedrigschwelligen Stands im öffentlichen Raum. „Die Hemmschwelle erwies sich bei den anderen Aktionen als deutlich höher“, bedauert Schäfer. Da das jeweils kleine Publikum aber Lesung wie Film für sehr geeignet hielt, um GiP wirkungsvoll zu thematisieren, „überdenken wir jetzt unser Konzept für die höherschwelligen Angebote“ – zum Beispiel dahingehend, die Lesung gezielt für bestimmte Gruppen wie Familienrichter und -richterinnen zu organisieren und den Infostand in weitere Veranstaltungen bis hin zu den Kreis-Gesundheitstagen im Frühjahr 2023 einzuplanen.
Nach dem Bad Schwalbacher Teil eins der Kampagne im Herbst 2021 für Frauen und dem Geisenheimer Teil zwei im Frühjahr 2022 mit dem Fokus auf der Familie, „möchten wir mit dem für den Herbst 2022 geplanten dritten Teil vor allem Männer erreichen“. Schäfer ist „hoffnungsfroh“, sie gewinnen zu können, zumal Landrat Frank Kilian das Projekt seit Mitte 2021 als Schirmherr unterstützt.
Ziel des dritten Teils sei, dass sich Männer einschalten, wenn sie erkennen oder vermuten, dass Kollegen, Sportkameraden oder Freunde ihre Partnerin schlagen oder immer wieder herabwürdigen. Denn Gleichgültigkeit oder Akzeptanz „ist ein fatales Signal“.
Schäfer erwartet auch, dass das mit dem Fachbereich Design-Informatik-Medien entwickelte Computerspiel bis Herbst zum spielbaren Prototyp reift, den Jugendliche und junge Erwachsene wie etwa Berufsschüler erproben sollen. Weltweit gebe es bisher nur drei Spiele, „die proaktiv gegen GiP sensibilisieren, Empathie wecken und zeigen, dass die Verantwortung immer beim Täter liegt“. Parallel binde das Wintersemester mit einer Ringvorlesung zur Täterarbeit und einem Lehr-Projekt Studierende in Auswege ein.
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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 24.06.2022 um 03:00 Uhr publiziert.