Um Erkenntnisse über die Erkrankung und Tipps für den Umgang mit Betroffenen ging es beim Treffen des kreisweiten Netzwerkes unter dem Dach der Alzheimer-Gesellschaft.
RHEINGAU-TAUNUS - (red). Alles ist Beziehung – der Titel des 3. Fachtags, zu dem das Netzwerk Demenz unter Trägerschaft der Alzheimer-Gesellschaft Rheingau-Taunus in die Idsteiner Stadthalle eingeladen hatte, zog sich wie ein roter Faden durch die gut besuchte Veranstaltung.
Körpersprache als Ersatz für Gespräch
Ingrid Nicolai stellte das Herzstück des Vereins, die Gesprächskreise, nicht nur aus Moderatoren-Sicht dort, sondern auch aus der Perspektive einer pflegenden Tochter vor. In den Gesprächskreisen für Angehörige zählt die Erkenntnis, nicht allein betroffen zu sein, oft mehr als ein fachlicher Rat vom Spezialisten. Hier kann man sich austauschen, ohne erst viel erklären zu müssen. „Das Gefühl von Ohnmacht kann sich in die Wahrnehmung von Spielräumen wandeln.“ Angehörige werden ermutigt, sich für die kräftezehrende Betreuung Hilfe zu holen. Und es wird Mut gemacht, sich auf die Gefühlswelt eines verwirrten, orientierungslosen Menschen einzulassen.
Wie das gehen kann, auch wenn mit Fortschreiten der Demenzerkrankung die Sprache verloren geht, Worte fehlen oder nicht mehr erinnert werden, machte Thomas Buchholz, Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge, Autor und Lehrbeauftragter, deutlich. „Auch ohne sprachliche Kommunikation ist es möglich, den Mensch als Person wahrzunehmen“, unternahm er einen praxisnahen Exkurs in den somatischen Dialog, in dem Vertrauen- und Beziehungsaufbau eine zentrale Rolle spielen. Der Vortrag zeigte den Weg über die Körpersprache zur Sprache der Berührung, sodass Alltagshandlungen zu einem „Gespräch auf körperlicher Ebene“ werden können.
„Es mangelt nicht an der Erkenntnis, sondern an der Umsetzung“, lautete die zentrale Botschaft von Pflegewissenschaftler Detlef Rüsing. Er widmete sich dem Thema Angst als Kardinal-Symptom von Demenz. Sie gilt auch als ein zentrales Gefühl der Pflegenden, die zum einen Angst vor dem für sie schwer einzuschätzenden, wechselhaften Verhalten der Kranken haben, als auch davor, selbst betroffen zu sein. „Dabei ist das Verhalten dementiell erkrankter Menschen in sich durchaus logisch“, erklärte Rüsing, dass Angst und das Gefühl von Fremdheit auch oft von Betreuenden verursacht werde. „Wenn sich ein Mensch mit Demenz als Person fühlen kann, fühlt er sich sicher“, appellierte Rüsing, den Kontakt auf Augenhöhe herzustellen. „Der echte Kontakt und die Beziehung sind der Schlüssel, um aus dem Schrecklichen etwas Erträgliches zu machen.“
Das gelingt Markus Proske, Demenzberater, Buchautor und Humortherapeut. „Humor ist Beziehungsgestaltung“, sagt er. Eine gute Beziehung sei das beste Medikament. „Wenn wir mit unserer Authentizität und positiven Haltung zum Leben, durch unseren ganz eigenen Humor, die Betroffenen begleiten, dann kann es uns gelingen, belastende Emotionen abzufedern.“
Dass Forschung und Wissenschaft durchaus verständlich und spannend vermittelt werden können, bewies Dr. Markus Schubert, Ärztlicher Direktor am St. Josefs-Hospital Rheingau. Demenzielle Entwicklungen entstehen häufig aus Veränderungen im Gehirn, die schon lange vor den ersten Symptomen der Demenz beginnen. Die Ursachen dieser Veränderungen können in Systemerkrankungen liegen, die schon Jahrzehnte vor einer deutlich erkennbaren kognitiven Einschränkung auftreten.
Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz
Sein Vortrag beleuchtete den Zusammenhang von solchen Systemerkrankungen und Einbußen im Denken, Erkennen und Wahrnehmen. So bestehe beispielsweise ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der mit starkem Übergewicht verbundenen Typ 2 Diabetes und der vaskulären sowie Alzheimer-Demenz. Je insulinresistenter der Organismus, desto größer sei das Risiko, später an Demenz zu erkranken. Entscheidend sei dabei, was im Körper etwa zwischen dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt passiere. Der Körper vergesse nicht.