Die Moderne hat Einzug gehalten auf dem historischen Gelände des Draiser Hofes: Der Boom der neuen Vinotheken und Wein-Event-Locations im Rheingau setzt sich fort.
Von Jutta Schwiddessen
Redaktion Rheingau-Taunus
Baron Frederik zu Knyphausen vor dem „Knyphaus“, einer neuen Facette des Angebots auf dem Draiser Hof.
(Foto: DigiAtel/Heibel)
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ERBACH - Die alte Steinmauer schirmt den Draiser Hof von neugierigen Blicken und dem Verkehrslärm der Erbacher Straße ab. Dahinter im Park mit alten Bäumen, Rebstöcken und dem charmant gealterten Herrenhaus findet man Rheingauer (Weinbau)Geschichte, die dort im 12. Jahrhundert beginnt und seit 200 Jahren von der Familie zu Knyphausen mitgeschrieben wird.
Die Moderne hat Einzug gehalten
Wer dieser Tage hinter die Mauer schaut, macht eine neue Entdeckung. Die Moderne hat Einzug gehalten auf dem historischen Hofgelände. Neben das um 1727 von Zisterziensermönchen erbaute Gutshaus hat sich in gebührendem Abstand ein modernes Gebäude im Industrie-Design mit einer Fassade aus Lärchenholz und Aluminium gesellt. Die Traktorenhalle des Weinguts ist ans Ende der Wirtschaftsgebäude gewandert und in ihren ehemaligen Mauern das „Knyphaus“ mit Vinothek, Laden und Büros entstanden. Seit Ende September kann man hier Weine probieren, sich‘s mit kleinen Gerichten aus der Küche an den Tischen der „Weinbar 1818“ gemütlich machen, aber auch „alles, was auf dem Draiser Hof produziert wird“ sowie ausgewählte regionale Produkte vom Honig bis zur Trüffelbutter kaufen.
„Die Kunden sind untreuer als früher“, sagt Baron Frederik zu Knyphausen, der diese Erfahrung mit anderen Weingütern teilt, „da muss man schon was tun“. Eine Idee ist, mehr Touristen in die Region und das Weingut mit Hotel zu locken, was mit dem „Knyphaus“ geschehen soll. Aber auch die Rheingauer will er mit seinem Angebot als Gäste und Kunden gewinnen.
Seit rund drei Jahren leitet der 41-Jährige, der beruflich zuvor in der Geschäfts- und Bankenwelt in Frankfurt und Hamburg unterwegs war, den „Draiser Hof“ in der inzwischen achten Generation und schickt sich an, den Familienbetrieb in der Moderne zu etablieren, „natürlich mit Bezug zur Historie und der familiären Herkunft“, wie er sagt. So kann man im „Knyphaus“ mit dem „Weinprobeassistenten“ und Chipkarte einerseits eine komplett automatisierte Weinprobe machen, andererseits an einer Wand die Geschichte des Adelsgeschlechts der Inn- und Knyphausens verfolgen, die bis ins 14. Jahrhundert und auf den friesischen Häuptling Grote Onneken als ältesten nachweisbaren Ahnherr zurückgeht; zudem erfährt man, wie der Draiser Hof, 1141 als erster Wirtschaftshof der Eberbacher Mönche gegründet, vor 200 Jahren in Knyphausenschen Besitz kam. Das Familiennetzwerk ist groß und wird auch fürs Angebot der Weine und kleinen kulinarischen Spezialitäten genutzt. So stammt etwa ein Carmenere unter den Rotweinen aus der Produktion eines Onkels, der in Chile lebt und sich seit einigen Jahren als Hobbywinzer erprobt. Die friesischen Wurzeln duften aus den Tee-Päckchen und natürlich fehlen auch nicht die CDs von Bruder Gisbert zu Knyphausen, der sich als Liedermacher etabliert und den vielen Facetten des Draiser Hofs mit den jährlichen Live-Konzerten eine musikalische hinzugefügt hat.
Dass sich Knyphausens Ideen für die Region rentieren könnten, hofft nicht nur der Hausherr selbst. Das „Knyphaus“-Projekt, das durch die Verbindung der Wirtschaftsräume und des Ladens nebenbei auch die Logistik des Weingutes vereinfacht, wurde aus EU-Leader-Mitteln für die Förderung des ländlichen Raums mit 45 000 Euro unterstützt, der höchstmöglichen Summe, die es für private Projekte gibt.