Zur Arbeit ins Krankenhaus – trotz positivem Corona-Test

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FFP2-Masken hängen an Kleiderhaken. Foto: Barfuß Pricutres - stock.adobe

Viele Ausfälle in der Sommerwelle: die Uniklinik Gießen reagiert auf die Personalnot. Doch wie genau sind die Regeln - und was machen andere Kliniken in Hessen und Rheinland-Pfalz?

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REGION. Wie lange müssen sich Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind, isolieren? Laut Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI): Fünf Tage, danach wird „dringend“ geraten, sich bis zu einem negativen Test weiter abzusondern. Doch das ist zunehmend umstritten. Weil sich auch hierzulande die Forderungen nach einer kompletten Aufhebung der Isolationspflicht – wie in mehreren anderen europäischen Ländern – häufen. Und weil die Coronainfektionen und -Quarantänen die Personalnot in vielen Unternehmen verschärfen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnt jedenfalls bislang ein Ende der Isolationspflicht klar ab.

Für Aufsehen sorgt nun eine Entscheidung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM), am Standort Gießen auch Beschäftigte mit positivem Coronatest einzusetzen, unter strengen Auflagen. Möglich ist dies in Kliniken eigentlich schon seit Monaten, auch in Hessen und Rheinland-Pfalz. Doch erst jetzt in der Sommerwelle kommt dies auch zunehmend zum Tragen. Ein Blick auf die Hintergründe und die Situation in anderen großen Krankenhäusern der Region.

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Die Selbstdiagnose ist eindeutig: „Die Zahl der Krankheitsausfälle in allen Bereichen des Klinikums hat einen nie dagewesenen Höchststand erreicht“, sagt Prof. Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des Uniklinikums Gießen, in einer Mitteilung am Freitag. Dies betreffe Erkrankungen unabhängig von Corona, zudem führe die hohe Dauerbelastung der vergangenen zwei Jahre vielfach zur Erschöpfung der Mitarbeiter und zu Fehlzeiten. Insbesondere sei nun aber die Zahl der coronabedingten Krankheiten und Isolationspflichten „dramatisch angestiegen“: „Im Vergleich zum bisherigen Höchstwert im Dezember 2020 liegen wir gegenwärtig bei dreifach höheren Werten“, sagt Seeger. Vergleichbare Beobachtungen gebe es auch an anderen Kliniken in Hessen. Hinzu kommt nun die Urlaubszeit.

„Arbeitsfähiges“ Personal mit FFP-2-Maske im Einsatz

Die Konsequenz und das Ergebnis einer „Risikoabwägung“: Um der „kritischen Versorgungslage“ zu begegnen, könnten nun auch „positiv getestete Mitarbeitende, die sich selbst als arbeitsfähig erklären, ausnahmsweise unter Tragung einer FFP-2-Maske“ eingesetzt werden. Das Klinikum beruft sich dabei auf einen Erlass des hessischen Sozialministeriums von Anfang März, in dem dies auch wörtlich so beschrieben ist. Für den direkten Patientenkontakt ist in Gießen aber ein negativer Selbsttest nötig, was laut Erlass nicht notwendig wäre.

Dieser sieht vier Stufen vor: grün (unterste Stufe), gelb, rot, blau. Bereits ab Stufe gelb und einer „kritischen Versorgungslage“ ist der Einsatz positiv getesteter Mitarbeiter ohne Krankheitssymptome wie nun in Gießen möglich – sofern auch nach Abstimmung mit Kliniken in der Region der Engpass nicht behoben werden kann. Beim (freiwilligen) Einsatz der Mitarbeiter ist laut Erlass darauf zu achten, dass durchgehend, also auch im Kontakt mit Kollegen und in den Sozialräumen, eine FFP-2-Maske getragen wird. Außerdem soll das Personal „sofern möglich außerhalb vulnerabler (also besonders gefährdeter, d. Red.) Bereiche eingesetzt werden“. Positiv getestete Mitarbeiter, die nicht arbeitsfähig sind, „begeben sich solange in häusliche Isolation, bis die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt ist“, heißt es in dem Erlass. Das Schreiben ging Anfang März an die Krankenhäuser und Gesundheitsämter, die das Vorgehen „im Einzelfall“ gestatten können, erklärt das Sozialministerium.

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Ziel in Gießen sei es nun, die Patientenversorgung „bestmöglich aufrecht zu erhalten“, sagt Seeger. In der kommenden Woche dürfte sich die Personalsituation allerdings auch unabhängig von Corona nochmals verschärfen: Am Dienstag und Mittwoch ruft die Gewerkschaft Verdi abermals zu einem Warnstreik gegen weiteren Personalabbau am UKGM auf. Der Versuch, corona-positive Mitarbeiter einzusetzen, „zeigt doch, wie angespannt die Situation ist“, heißt es in dem Aufruf.

So angespannt wie in Gießen ist die Lage an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden noch nicht: „Die Helios HSK befinden sich wie die anderen Wiesbadener Kliniken noch im grünen Bereich, auch wenn wir mit Personalengpässen zu kämpfen haben“, erklärt der Medizinische Geschäftsführer und Ärztliche Direktor Prof. Ralf Kiesslich auf Anfrage. „Aktuell setzen wir demnach keine positiv getesteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.“ Kiesslich weist darüber hinaus darauf hin, dass das Vorgehen im Gießen dem Erlass zur Aufrechterhaltung der Patientenversorgung in hessischen Krankenhäusern entspreche – und auch die Regelung in Frankfurt, die vor wenigen Tagen ebenfalls Schlagzeilen gemacht hat.

Mehr Patienten, kranke Mitarbeiter, Urlaubszeit

Denn auch am Main kommt das Universitätsklinikum Frankfurt wegen der gestiegenen Zahl der Corona-Patienten, einem sehr hohen Krankenstand bei den Mitarbeitern und nun der Urlaubszeit an seine Grenzen. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, dürfen nun auch zunächst positiv getestete Mitarbeiter nach einer Isolationszeit von fünf Tagen und mindestens zweitägiger Symptomfreiheit wieder arbeiten. Nach Angaben des Ärztlichen Direktors Prof. Jürgen Graf ist dafür aber ein negativer Antigentest notwendig, den die Mitarbeiter auch selbst machen dürften. Sie müssten danach Masken tragen und getrennt von anderen Pause machen. Vorher war das Freitesten nur mit offiziellem PCR-Test möglich.

Im Klinikum Darmstadt wiederum gilt weiterhin: Isolation bis fünf Tage nach Testdatum; Freitestung nach mindestens fünf Tagen und bei 48 Stunden Symptomfreiheit mittels PCR; erst nach dem 10. Tag ist ein negativer Antigen-Selbsttest ausreichend. „Davon weichen wir außerhalb des Katastrophenfalls nicht ab“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage.

In Rheinland-Pfalz dürfen unter gewissen Vorgaben ebenfalls positiv Getestete zur Arbeit gehen, in Firmen, auch in Krankenhäusern. Das Land hat dazu schon vor Monaten spezielle Regeln zur sogenannten „Arbeitsquarantäne“ erlassen. Diese erlaube es „grundsätzlich absonderungspflichtigen Beschäftigten (...) unter bestimmten Voraussetzungen – wie zusätzlich zu beachtenden Schutzmaßnahmen – ihren Absonderungsort zum Zweck der Arbeitsaufnahme zu verlassen“, erklärt der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) gegenüber dieser Zeitung. Die Voraussetzungen sind unter anderem: eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber; durchgängiges Tragen einer FFP-2-Maske; Kontakte zu anderen Personen müssen auf ein Minimum reduziert werden; die Verpflichtung, keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.

Am größten Krankenhaus im Land, der Unimedizin in Mainz, endet die Absonderung nach Auskunft einer Sprecherin aber weiterhin frühestens nach Ablauf von fünf Tagen nach einem positiven Test, die Mitarbeiter müssen zudem 48 Stunden symptomfrei sein. „In jedem Fall“ müssten die Beschäftigten nach Ende der Isolation und vor Arbeitsbeginn einen negativen Antigentest vorlegen. Zur generellen Diskussion um die Isolationspflicht sagt Minister Hoch: „Angesichts der hohen Infektionszahlen ist aktuell eine generelle Isolationspflicht für die ersten fünf Tage noch angezeigt. Wir überprüfen dies aber kontinuierlich.“