Axel Wintermeyer (CDU), Staatsminister und Chef der hessischen Staatskanzlei, spürt ein Aufatmen in der Region, seitdem das Rhein-Main-Gebiet an einem Strang zieht. Archivfoto: dpa
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WIESBADEN/DARMSTADT - Seit Januar 2018 trifft sich das „Strategieforum für die Metropolregion Frankfurt Rhein-Main“, um gemeinsam mit der Wirtschaftsinitiative „Perform“ die Belange eines der stärksten Ballungsräume Deutschlands koordiniert und länderübergreifend voranzubringen. Vorsitzender des Forums ist Axel Wintermeyer (CDU), Staatsminister und Chef der Hessischen Staatskanzlei. Seine Vertreterin im Forum ist Prof. Kristina Sinemus, Präsidentin der IHK Darmstadt.
Am heutigen Montag wird anlässlich des „Tages der Metropolregion“ eine erste Bilanz gezogen. Im Zentrum der Veranstaltung bei der IHK Frankfurt steht das Thema Gründer.
Inwieweit hat das Strategieforum für die Metropolregion seit seiner Gründung bereits Wirkung gezeigt?
Axel Wintermeyer: Durch die Initiierung des Strategieforums FrankfurtRheinMain ist ein länder- und institutionenübergreifender Dialog in Gang gekommen. Ich erlebe in der Region ein Gefühl von „Aufatmen“, das spiegeln mir die unterschiedlichsten Akteure zurück. Sie sind froh, dass die Entwicklung jetzt Fahrt aufnimmt.
Axel Wintermeyer (CDU), Staatsminister und Chef der hessischen Staatskanzlei, spürt ein Aufatmen in der Region, seitdem das Rhein-Main-Gebiet an einem Strang zieht. Archivfoto: dpa Foto:
Kristina Sinemus, Präsidentin der IHK Darmstadt, sieht in überlasteten Gleisverbindungen eines der Haupthindernisse für Berufspendler. Archivfoto: IHK Darmstadt/Klaus Mai Foto:
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Kristina Sinemus: Ein erstes konkretes Ergebnis ist das Thema Gründerregion, das auch beim „Tag der Metropolregion“ in der IHK Frankfurt im Fokus steht. Überall werden Initiativen gestartet: in Mainz, Aschaffenburg, Offenbach und natürlich auch in Darmstadt. Die Region zählt mittlerweile 32 Gründerzentren und 18 Co-Working-Spaces, unter anderem auch das im Dezember eröffnete HUB 31 in der Darmstädter Hilpertstraße. Wenn wir das jetzt noch verzahnen, können wir ein Ökosystem anbieten, das in Deutschland seinesgleichen sucht.
Ist die wirtschaftliche Stärke der Region nicht auch eine ihrer größten Schwächen? Jeder wurstelt vor sich hin…
ZUR PERSON
Axel Wintermeyer ist am 1. Januar 1960 in Wiesbaden geboren und Abgeordneter des Hessischen Landtages. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mainz widmete er sich frühzeitig der Politik. Seit 1999 ist er direkt gewählter Abgeordneter der CDU für den Wahlkreis 33 (Main-Taunus II).
Seit 2010 ist er Staatsminister und Chef der Hessischen Staatskanzlei.
Wintermeyer ist evangelisch und ledig. (loh)
Zur Person
Kristina Sinemus ist 1963 in Darmstadt geboren, Präsidentin der IHK Darmstadt und Geschäftsführerin der auf Wissenschaftskommunikation spezialisierten Fachagentur Genius. Sie studierte Biologie, Chemie, Germanistik und Pädagogik in Münster und Kassel.
Nach der Promotion am Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung der TU Darmstadt wurde sie 2011 Professorin für Public Affairs an der Quadriga Hochschule Berlin.
Sinemus ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie im Darmstädter Martinsviertel. (loh)
Wintermeyer: Die wirtschaftliche Stärke der Region ist eine ihrer größten Herausforderungen, denn mit ihrer Attraktivität geht Wachstum einher. Und dieses Wachstum bewirkt seinerseits eine Stärkung der Attraktivität der Region. Insofern haben wir einen Zirkelschluss. Hieraus kann in der Tat ein limitierender Faktor werden. Im Bereich der Flächenaktivierung spüren wir dies sehr deutlich, da die potenziell bebaubaren Flächen immer weniger werden. Hinzu kommt, dass sich die Kommunen schwer damit tun, Flächen für Wohnbebauung und Gewerbeflächen auszuweisen.
Sinemus: Wenn Sie meinen, dass die Unternehmen und die Kommunen es nicht als notwendig betrachten, mit anderen zusammenzuarbeiten, weil es ihnen auch so wirtschaftlich gut genug geht, dann muss ich Ihnen da widersprechen. Ein Beispiel: Südhessen ist besonders stark im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik aufgestellt. Mit 13 000 IT-Unternehmen und 30 Milliarden Euro Umsatz haben wir eine hohe Dynamik. Doch gerade in dieser Branche erleben wir, dass die Unternehmen sich eng vernetzen wollen. Und auch bei den Kommunen ist es doch so: Die, bei denen die Gewerbeflächen besonders gut genutzt sind, sind auch am meisten darauf angewiesen, mit ihren Nachbarkommunen zusammenzuarbeiten. Sie müssen eine langfristige Flächenplanung gemeinsam mit ihren Nachbarn angehen. Nehmen wir zum Beispiel das Projekt „Drei gewinnt“ der Städte Kelsterbach, Raunheim und Rüsselsheim. Heute messen wir uns nicht mehr mit unseren direkten Nachbarn, sondern mit den globalen Metropolen. Und in diesem Wettbewerb können wir nur als Gesamtregion punkten.
Wo ist der größte Bedarfe und wer adressiert ihn an wen?
Wintermeyer: Aus Sicht der Wirtschaft ist dies zum einen das eben genannte Thema der Flächenaktivierung, denn Unternehmen benötigen Büro-, Gewerbe- und Logistikflächen. Zudem haben sie ein großes Interesse daran zu sehen, wo ihre Mitarbeiter wohnen können. Das Thema Gründerregion ist ein weiteres Thema. Drittes zentrales Thema ist die Fachkräftesicherung.
Sinemus: Als die Wirtschaftskammern der Region FrankfurtRheinMain vor zwei Jahren die Wirtschaftsinitiative Perform gründeten, wollten wir vor allem eins klar machen: Wirtschaft kennt keine Landesgrenzen. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass sich im Strategieforum alle vier Bundesländer engagieren, Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Wie geht es beim Klassiker Mobilität weiter? Welches sind die vorrangig diskutierten Projekte?
Wintermeyer: Die Verkehrsverbünde erhalten einen dreistelligen Millionenbetrag vom Land Hessen. Insgesamt wird das Schienennetz für den Nah- und Fernverkehr in Hessen bis zum Jahr 2030 mit einer Rekordsumme ausgebaut, alles in allem fließen in zwölf Großprojekte rund zwölf Milliarden Euro. Dazu gehören der viergleisige S-Bahn-Ausbau zwischen Frankfurt und Friedberg und schnellere Verbindungen für Pendler. Zusätzlich ist es erforderlich, die intelligente Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger voranzubringen. Die Idee, die Region zu einer „smart region“ auszubauen, basiert auf dem stärkeren Einsatz der Digitalisierung, um etwa über Apps nicht nur Bus- undBahnverbindungen, sondern auch Leihräder, Carsharing-Autos und Taxis buchen zu können.
Sinemus: Den vielen Berufspendlern wäre schon geholfen, wenn mehr Züge unterwegs wären, es einen engeren Takt gäbe. Doch den wird es ohne die ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Mannheim nicht geben. Die bestehenden Schienen sind schlicht und ergreifend überlastet. Das wirkt sich dann auch auf Mainz und Aschaffenburg aus. Solche Dinge im Strategieforum auf Augenhöhe zu diskutieren, das allein ist schon ein Gewinn. Zweites Beispiel: die Zukunft der Mobilität hängt stark am Thema Digitalisierung. Zum Beispiel werden im Rahmen der Digitalstadt Darmstadt – aber auch in anderen Kommunen – im Kleinen einige neue Ansätze getestet, etwa intelligent gesteuerte Verkehrsflüsse oder Lastenfahrräder statt Lieferwagen.
Woher nehmen Sie Ihren Optimismus, dass Strategieforum und Perform nicht scheitern wie so viele andere Versuche einer Planung für die Region? Derlei Versuche sind teilweise 100 Jahre alt…
Wintermeyer: Das Strategieforum bündelt die vorhandenen Initiativen. Perform ist somit ein Teil davon, kein Konkurrent. Ich bin optimistisch, da wir mit dem Strategieforum eine Plattform geschaffen haben, die offen ist für den Input aus der Region. Das ist nach meiner Beobachtung einzigartig.
Sinemus: Es ist ja nicht so, als ob wir seit 100 Jahren alle zehn Jahre das Gleiche probieren. Wir lernen aus den Erfahrungen früherer Ansätze. So haben wir mit dem Strategieforum ganz bewusst keine neue Strukturdebatte gestartet und wollen auch nicht bestehende Initiativen verdrängen oder ersetzen. Vielmehr wollen wir all diejenigen an einen Tisch bringen, die die Metropolregion voranbringen wollen. Diese Art der Zusammenarbeit entspricht auch besser dem „agilen“ Zeitgeist der Digitalisierung als klassische Entscheidungshierarchien. Wenn wir es schaffen, diesen Zeitgeist einzufangen, dann sehe ich nicht, warum das nicht funktionieren soll. Und im Moment sieht es sehr danach aus, dass wir das schaffen können.