Windkraft: RP setzt auf weiße Flecken

Die Planung des Regierungspräsidiums Darmstadt für die Windenergie hängt seit Jahren in der Warteschleife. Jetzt will die Behörde sie in abgespeckter Form beschließen lassen.

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DARMSTADT. Seit Jahren wird in Hessen um Windkraft gestritten. Vor allem im Odenwald und im Taunus gibt es große Widerstände gegen weitere Anlagen. Im Zentrum der Auseinandersetzung: das Regierungspräsidium Darmstadt. Die Landesbehörde hat die Aufgabe, den Planungsrahmen für die Energiewende zu liefern. Rund zwei Prozent der Fläche Hessens sollen als Vorranggebiete für Windräder ausgewiesen werden, so die Vorgabe der Politik. In Nord- und Mittelhessen ist das bereits passiert, im Bereich des RP Darmstadt noch nicht. Jetzt nimmt die Behörde einen neuen Anlauf: Mit ihrem „Teilplan Erneuerbare Energien“ und sogenannten „Weißflächen“ will sie endlich Planungssicherheit schaffen.

Auf welcher Grundlage plant das Regierungspräsidium?

Beim Energiegipfel im Jahr 2011 haben alle damals im Landtag vertretenen Parteien beschlossen, dass der Strombedarf bis 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll. Dazu sollen rund zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie gesichert werden.

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Was ist bisher geschehen?

Einen ersten Planentwurf hat das RP Darmstadt 2014 vorgelegt, eine zweite Version 2017. In zwei Beteiligungsverfahren wurden 45 000 Stellungnahmen von Bürgern und Verbänden eingearbeitet. Übrig geblieben sind 133 Flurstücke mit zusammen 12 500 Hektar, etwa 1,7 Prozent der Landesfläche. Die Vorrangflächen konzentrieren sich dort, wo der Wind weht – in den Mittelgebirgen. So sind im Odenwaldkreis 3,7 Prozent der Fläche vorgesehen, im Rheingau-Taunus-Kreis 3,3 Prozent. Entsprechend groß ist dort der Widerstand.

Wer entscheidet eigentlich?

Die Regionalversammlung, in der Kommunalpolitiker der Region sitzen. CDU und SPD arbeiten dort in einer Großen Koalition zusammen. Im Dezember des vergangenen Jahres hat der zuständige Ausschuss den RP-Entwurf jedoch als „nicht beratungsfähig“ zurückgewiesen – ein Erfolg der Kritiker aus Odenwald und Taunus.

Wie hat das Regierungspräsidium reagiert?

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Die Behörde hat einen überarbeiteten Plan mit sogenannten „Weißflächen“ vorgelegt. Über sie soll nun später entschieden werden. Das hat einen juristischen und einen politischen Grund. Bei allen „Weißflächen“ gab es seit der letzten Offenlegung Änderungen, weshalb formal eine neue Beteiligungsrunde erforderlich ist. Meist handelt es sich um strittige Flächen, etwa die auf dem Taunuskamm. Spart man sie nun erst mal aus, dürfte es den Kritikern in der Regionalversammlung leichter fallen, dem großen Rest zuzustimmen.

Was verbirgt sich hinter den „Weißflächen“?

Dort sind die Planer zum Beispiel auf Einwände eingegangen, etwa beim Gewässer- oder beim Artenschutz. Es kann aber auch sein, dass schützenswerte Vögel dort inzwischen nicht mehr brüten, einem Windrad also nicht mehr im Wege sind. Und es gibt Flächen, die heute noch ungeeignet sind, mittelfristig aber nicht. So werden ältere Anlagen zur Flugüberwachung durch Windräder gestört, jedoch dürften diese in absehbarer Zeit abgebaut werden.

Wie ist der Zeitplan?

Im Juni soll die Regionalversammlung erstmals über den RP-Plan mit den weißen Flecken beraten. Stimmt sie zu, wofür einiges spricht, hat die Landesregierung das letzte Wort. Mitte 2020 könnte der Teilplan in Kraft treten. Das Schließen der weißen Lücken dürfte dann allerdings weitere Jahre in Anspruch nehmen.

Was passiert, wenn es keinen Teilplan Erneuerbare Energien gibt?

Windräder werden trotzdem gebaut. Derzeit können Investoren nämlich den Bau von Rotoren auf jeder Fläche beantragen. Deshalb gibt es heute Windräder an Stellen, die laut RP-Plan dafür gar nicht vorgesehen sind. Ziel ist es laut RP, die Entwicklung zu steuern: Auf den Vorrangflächen bekommt die Windkraft Vorfahrt, wobei auch dort die Vorgaben aus Arten-, Wasser- und Denkmalschutz erfüllt werden müssen. Im Gegenzug sind dann aber alle anderen Flächen für Windräder tabu. Deshalb müssten eigentlich auch Windkraftgegner für den Teilplan des RP sein, argumentiert man in der Darmstädter Behörde.

Wie viele Windräder sind derzeit in der Genehmigungsphase?

Im Regierungsbezirk Darmstadt 24 Anlagen, davon je zwölf im Main-Kinzig-Kreis und im Odenwald (acht Rotoren in Oberzent, einer in Michelstadt, drei in Wald-Michelbach). Im Taunus gibt es aktuell kein Verfahren. Genehmigt wurde 2019 bisher eine Anlage (Ober-Ramstadt, Kreis Darmstadt-Dieburg). Insgesamt ist die Zahl der Anträge seit Jahren rückläufig. Experten führen das auf die geänderten Förderbedingungen zurück, aber auch auf den Widerstand in der Region. So nimmt die Energiegenossenschaft Odenwald derzeit von neuen Projekten Abstand.