Samstag,
02.11.2019 - 04:30
4 min
Wie schwierig wird es für Opel mit der geplanten Fusion?

Von Achim Preu
Leiter Wirtschaftsredaktion Südhessen

Die Auswirkungen der geplanten Autofusion für Opel sind abzuwarten. (Foto: dpa)
DARMSTADT/MAINZ - Ist das ein künftiger Weltklasse-Konzern oder nur ein automobiler Scheinriese? Und was wird aus dem deutschen Autobauer Opel, wenn die Bedeutung der Marke mit dem Blitz in dem viel größeren neuen Unternehmen automatisch sinkt?
Diese Fragen stellen sich viele, seitdem bekannt ist, dass die Opel-Mutter PSA und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) zur künftigen Nummer vier weltweit fusionieren wollen hinter Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan. Fakt ist: FCA hat lange einen Partner gesucht und braucht die Franzosen mehr als PSA den italienisch-amerikanischen Konzern trotz Europalastigkeit und fehlendem US-Geschäft. Denn dem verstorbenen Topmanager Sergio Marchionne waren gute Bilanzen wichtiger als Innovationen. Deshalb ist FCA vor allem beim Thema E-Mobilität „ein großer Low Performer“, wie Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach sagt. Beim autonomen und vernetzten Fahren sehe es genau so aus, während die PSA-Gruppe hier zumindest im Mittelfeld angesiedelt sei. Was auch der Tochter Opel hilft, die sonst die CO2-Hürden der EU reißen würde verbunden mit hohen Strafzahlungen. FCA hat sich hier übrigens mit Zertifikaten des E-Auto-Pioniers Tesla eingedeckt, um sauber daherzukommen.
Großer Veränderungsdruck bei Fiat
Das Sammelsurium an Marken beim neuen Autoriesen zu ordnen, das freilich verlangt einiges. Denn vom Dodge Ram 1500 mit seinem 5,7-Liter Big Block und den kultigen Jeep-Modellen, die 70 Prozent des FCA-Ertrages einfahren, bis zum Stromer Citröen E-Zero reicht die Spannweite der Palette. Opel findet sich mittendrin wieder, dort wo es um Volumen geht, während das Thema Premium Alfa Romeo und Maserati abdecken. Und wird schon jetzt als größter Verlierer gesehen, obwohl German Engineering in Paris prinzipiell geschätzt wird. Und obwohl Opel binnen kürzester Zeit durch Kostenkiller Carlos Tavares (61), der PSA/FCA künftig lenken soll, aus dem Ertragstal der Tränen gekommen ist. Dabei wird freilich gerne übersehen, dass 6000 Beschäftigte freiwillig gegangen sind, es im Stammwerk Rüsselsheim Kurzarbeit gibt, und das Entwicklungszentrum nach dem Teilverkauf an Segula langsam ausblutet. Das alles kann die Blaupause für Fiat sein – natürlich auch dort ohne Negativschlagzeilen durch Werksschließingen mit hohem politischem Wellengang. Das erledigt der Portugiese subtiler mit ähnlichem Ergebnis: Jobs und Kosten verschwinden scheibchenweise. Tavares „beherrscht insbesondere Restrukturierungen bestens“, so Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.
Marken-Vielfalt
Der neue 50:50-Konzern von PSA und FCA kommt auf 8,7 Millionen verkaufte Autos im Jahr, 170 Milliarden Euro Umsatz und elf Milliarden Betriebsergebnis bei 410.000 Beschäftigten. Zu PSA gehören die Marken Peugeot, Citroen, DS, Opel und Vauxhall. Zu FCA Abarth, Alfa Romeo, Fiat, Lancia, Maserati, Chrysler, Dodge, Jeep und Ram.
Weil der Veränderungsdruck bei Fiat besonders groß ist, dürften die Rüsselsheimer durch ihren neuen Platz am Katzentisch eine gewisse Zeit in Ruhe gelassen werden. Aber nicht allzu lange. Denn der Wettbewerb um Modelle für die einzelnen Produktionsstätten und Entwicklungsaufträge gewinnt so oder so an Schärfe. Auch wenn Opel wirtschaftlicher arbeitet als zuvor, beantwortet das nicht die Frage, wie das Werk Eisenach überleben soll, was aus dem Stammwerk Rüsselsheim trotz Astra-Comeback wird. Und ob Kaiserslautern noch Standort der geplanten Batteriezellenfertigung sein wird, weil jetzt ja alles irgendwie auf dem Prüfstand steht. Deshalb gibt es bei den Opel-Beschäftigten neue Ängste und Sorgen um ihre Jobs.
Opel „plötzlich fünftes Rad am Wagen“
Der asketische Portugiese Tavares, der kurze Konferenzen eingeführt und üppige Mittagessen abgeschafft hat, legt vor allem auf Geschwindigkeit wert. Für den Motorsportler geht es um Durchhaltevermögen, Konzentration und Kaltblütigkeit in einer Zeit, die als schwierigste der Autoindustrie in die Geschichte eingehen wird. Nur größeren Gruppierungen wird das Gen zum Überleben zugeschrieben. Einzelmarken büßen zwangsläufig an Relevanz ein, was bei Opel noch stärker durchschlagen wird als bislang. Und die Anzeichen mehren sich. Die IG Metall hat sich gerade beschwert, dass zu wenig investiert wird, um Produktion und Beschäftigung hierzulande stabil zu halten. Bis Juli 2023 sind betriebsbedingte Kündigungen zwar ausgeschlossen. Aber fehlende Perspektiven sind heutzutage im Kampf um Talente nicht gerade das, was in die Zukunft hilft.
Opel ist „plötzlich fünftes Rad am Wagen“, so die „Börsen-Zeitung“, weil man im Volumenmarkt künftig direkt mit Peugeot, Citröen und Fiat um Akzeptanz rangelt. Und auch bei den Personalkosten spricht vieles gegen die Rüsselsheimer, da Tavares nur zehn Prozent vom Umsatz dafür durchgehen lässt. Sprich: Weitere tausende Jobs bei Opel sind eigentlich „unwirtschaftlich“. Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer hat da eine klare Meinung: „Kein Mensch braucht drei Entwicklungszentren – also Turin, Paris, Rüsselsheim. Kein Mensch braucht die ganzen Motorenwerke von FCA, PSA und Opel in Europa. Das Risiko für Opel und seine Beschäftigten ist besonders hoch“. Zumal der französische Staat als PSA-Aktionär heimische Standorte sichern will. Und Fiat in Italien immer ein Politikum ist. Da hat Opel schlechte Karten.