Pflanzenhärchen lösten Großeinsatz an Riehlschule aus

Vor der Wilhelm-Heinrich-von Riehl-Schule im Wiesbadener Stadtteil Biebrich stehen Rettungswagen, nachdem rund 40 Schülerinnen und Schüler über Atembeschwerden geklagt hatten.  Foto: René Vigneron
© René Vigneron

Trichome haben die Atembeschwerden der Schulkinder verursacht. Was die Stadt Wiesbaden gegen die Härchen und Pollen auf dem Schulhof tut – und was sie Kindern und Lehrern rät.

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WIESBADEN. Was Experten bereits vermuteten, steht jetzt auch amtlich fest: Trichome waren die Ursache für die Atemwegsreizungen bei Schülerinnen und Schülern der Biebricher Riehlschule. Das teilt die Stadt Wiesbaden als Ergebnis einer ämterübergreifenden Runde mit. Trichome sind kleinste Härchen, die vermehrt in der Wachstumsperiode im Frühjahr auf Blättern, Ästen und Knospen der umstehenden Platanen wachsen. Sie können als mechanische Reizung zu Beschwerden an Augen und Schleimhäuten im Nasen-Rachenraum sowie der Bronchien mit Atembeschwerden führen. Wie berichtet, hatten genau darüber am vergangenen Mittwoch Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Heinrich-von-Riehl-Schule geklagt. Es kam zu einem Großeinsatz der Rettungskräfte, weil Gas als Ursache vermutet wurde. Zahlreiche Kinder und Jugendliche mussten im Krankenhaus untersucht werden. Auch am vergangenen Freitag kam es zu entsprechenden Beschwerden. Die Feuerwehr konnte hingegen keine Hinweise auf Belastungen durch Gase feststellen.

„Starkes Angsterleben bis hin zu Panikattacken“ bei Schülern

Die Reizung war rein mechanisch und kann bei allen Personen, die solche Trichome in größerem Umfang einatmen, auftreten, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. „Es handelte sich also nicht um eine klassische allergische Reaktion, wie man sie vom Heuschnupfen her kennt, sondern um eine mechanische Reizung von Augen und Atemwegen, am ehesten vergleichbar mit dem Einatmen hoher Konzentrationen von Staubpartikeln oder Sand in der Luft“, schreibt die Stadt. Dies sei zwar für die Betroffenen kurzzeitig sehr unangenehm gewesen, aber nicht gesundheitsgefährdend im eigentlichen Sinne. Bleibende Schäden entstanden und entstehen dadurch nicht. „Die Atemnot in Kombination mit der anfangs noch unklaren Ursache hat bei vielen Schülerinnen und Schülern ein starkes Angsterleben bis hin zu Panikattacken und Hyperventilation ausgelöst“, fasst die Stadt zusammen. Der Herzschlag beschleunigt sich dabei stark und es kommt zu einem vermehrten tiefem Ein- und Ausatmen (Hyperventilation). In der Folge können Ohnmacht, Blässe, Schwindel und Kopfschmerzen auftreten.

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Die zuständige Kinderklinik an der HSK berichtet, dass am Mittwoch, 11. Mai, 25 Personen ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Der überwiegende Anteil davon nicht wegen der Reizungen, sondern aufgrund von Panikreaktionen und Hyperventilation. Da der bei der Leitstelle der Berufsfeuerwehr eingehenden Notruf zunächst „Verdacht auf Gasaustritt“ lautete und mehrere Schülerinnen und Schüler bereits aus der Klinik entlassen wurden, bevor das Ergebnis einer Laboranalyse vorlag, steht in einigen mitgegebenen Arztbriefen als vorläufige Diagnose „Einatmen von Gasen oder Rauch“ mit der ICD-Nummer T 59.9 der internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO. Das bedeutet aber nicht, dass eine Vergiftung mit einem Reizgas vorgelegen hat, betont die Stadt weiter.

Keine weiteren Ereignisse befürchtet

Weil am vergangenen Mittwoch eine besondere und vor allem seltene Wetterlage geherrscht habe, geht man bei der Stadt nicht davon aus, dass sich das Ereignis wiederholen wird. Das Umwelt- und Grünflächenamt sieht die Kombination aus starker Blühperiode, Hitze und Trockenheit sowie Wind. Dennoch wurde der Schulhof mehrfach nass gereinigt, um eine Ansammlung von Trichomen und Pollen zu verhindern. Außerdem habe der starke Regen am vergangenen Montag die Trichome und Pollen weggespült. Im Nachgang wurden die Platanen auf dem Schulgelände zudem von einer Fachfirma mit einem Wasser-Pektin-Gemisch besprüht, um verbliebene Trichome zu binden. Bei diesem Gemisch handelt es sich um einen natürlichen Stoff, der die Pollen und Härchen an den Bäumen verklebt und deren Verbreitung verhindert. Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften mit Asthma oder anderen Vorerkrankungen rät die Stadt, im Außengelände eine gut sitzenden OP- oder FFP2-Maske zu tragen. Damit könnte das Einatmen der Trichome nahezu vollständig ausgeschlossen werden.