Kritik an Abschiebehaftanstalt in Darmstadt-Eberstadt - Polizei weist Vorwürfe zurück
Hessens erste Abschiebehaftanstalt im Darmstädter Stadtteil Eberstadt ist nach rund einem halben Jahr in die Kritik geraten. Das Innenministerium und die Polizei als Betreiber weisen die Vorwürfe aber zurück.
Von Frank Horneff
Lokalredakteur Darmstadt
Blick auf das Abschiebegefängnis an der Justizvollzugsanstalt Eberstadt. Foto Torsten Boor
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DARMSTADT - Mit einer umfassenden Stellungnahme hat die Pressestelle des Polizeipräsidiums Südhessen auf die massiven Vorwürfe reagiert, die das Darmstädter Aktionsbündnis "Community for all" gegen die Polizei in Darmstadt und ihren Präsidenten Bernhard Lammel erhoben hat.
Das Bündnis wendet sich seit Monaten gegen das erste und einzige Abschiebegefängnis in Hessen an der Justizvollzugsanstalt in Eberstadt.
Zuständig für das Abschiebegefängnis ist das Hessische Innenministerium, das dem Polizeipräsidium Südhessen den Betrieb übertragen hat.
In einer Pressemitteilung werfen die Sprecherinnen des Bündnisses, Dorothea Köhler und Petra Baumann, der Polizei "Misshandlungen, Fixierungen und Isolationshaft" vor. Das sei "Alltag im Darmstädter Abschiebegefängnis", so die beiden Sprecherinnen.
Nach Angaben von Polizeisprecherin Christiane Kobus hätten "erste Überprüfungen ergeben, dass die geschilderten Einzelfälle stark verkürzt oder verfälscht dargestellt wurden."
Einsatz von Reizstoff gegen Algerier
Köhler und Baumann berichten davon, dass das Bündnis "brutale Misshandlungen von Inhaftierten aufgedeckt" habe, dass "lebensnotwendige, medizinische Versorgung nicht gewährleistet" sei und die "systematische Missachtung der Grundrechte von Inhaftierten" erfolge.
"Isolierungshaft, Schläge und Einschüchterung sind in dem Abschiebegefängnis an der Tagesordnung", so die beiden Sprecherinnen, die für das Bündnis "die sofortige Schließung der Einrichtung und Konsequenzen für die politisch verantwortlichen Innenminister Beuth und Polizeipräsident Lammel" fordern.
Das Aktionsbündnis berichtet unter anderem vom "Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken" gegen einen inhaftierten Algerier.
"Der Einsatz von Reizstoff gegen einen algerischen Untergebrachten ist aus Sicht der Polizei nicht zu beanstanden", sagt dazu die Polizeisprecherin. Der Mann habe ein bestimmtes Medikament verlangt und Stress angekündigt, wenn es ihm nicht verabreicht werde. Auf dem Weg zurück in den Haftraum habe der Mann das Wachpersonal angegriffen. "Nur durch den Einsatz eines Teleskopschlagstocks gegen die Beine und mit einem Stoß Pfefferspray konnte er fixiert und in einen gesicherten Haftraum verlegt werden."
Polizei will Vorwürfe weiter prüfen
Das sei der "bislang einzige Fall, in dem Teleskopschlagstock und Pfefferspray in der Einrichtung eingesetzt" worden seien. Ein Äthiopier berichtet von einer Hautkrankheit und vom Verbot, einen Facharzt aufzusuchen. "Die Polizei hat mir gesagt, ich soll täglich mein Kopfkissen wechseln, was dann voller Blut ist", so die Schilderung. Bei dem an einer Hautkrankheit leidenden Äthiopier habe es Hinweise gegeben, dass der Mann mit Orangensaft das Krankheitsbild verschlechtert haben soll, um eine Abschiebung zu verhindern, heißt es dazu von der Polizei. Die ärztliche Behandlung sei gewährleistet, das tägliche Wechseln der Bettwäsche wurde "im Sinne des Untergebrachten" angeordnet.
Das Bündnis kritisiert außerdem, dass "gemeinsames Kochen nur auf Antrag" möglich und "eine ausgewogene Verpflegung für muslimisch gläubige Menschen nicht gewährleistet" sei. Außerdem seien die Einkaufsmöglichkeiten "massiv beschränkt."
Auch bei der Versorgung mit Lebensmitteln werde auf die Bedürfnisse der Inhaftierten eingegangen, versichert hingegen die Polizeisprecherin: "Es kann aber nicht jedem Wunsch nachgegangen werden: Döner für alle in Frankfurt zu bestellen ist nicht möglich." Außerdem würden "Fußfesseln nur dann angelegt, wenn sich ein Inhaftierter entsprechend verhält und ein Fluchtversuch nicht ausgeschlossen werden kann."
Die Polizeisprecherin kündigte am Mittwoch an, "die erhobenen Vorwürfe des Bündnisses weiter zu prüfen und nach und nach für Aufklärung zu sorgen."
Einziger Zweck der Abschiebungshaft sei die Sicherung der Ausreise, erläutert Kobus. Eine Straffälligkeit sei keine Voraussetzung für die Abschiebungshaft, jedoch sei die Mehrzahl der Untergebrachten im Vorfeld als Straftäter auffällig geworden, heißt es in der Stellungnahme der Polizei.