Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat den 21-jährigen Ali Bashar wegen Vergewaltigung und Mordes an der 14-jährigen Susanna F. aus Mainz und weiterer Verbrechen angeklagt.
WIESBADEN / MAINZ / FRANKFURT. Die Staatsanwaltschaft hat am Mittwochnachmittag offiziell Berichte dieser Zeitung bestätigt, dass sie drei Anklagen vor dem Landgericht gegen den abgelehnten irakischen Asylbewerber Ali Bashar erhoben hat. Der 21-Jährige hat wiederholt gestanden, in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden in der Feldgemarkung von Wiesbaden-Erbenheim die 14 Jahre alte Schülerin Susanna aus Mainz getötet zu haben. Er hatte sich Anfang Juni 2018 mit sieben weiteren Mitgliedern seiner Familie aus Wiesbaden in seine Heimat in den Nordirak abgesetzt.
Kurdische Sicherheitskräfte hatten Ali Bashar festgenommen und dem Präsidenten der deutschen Bundespolizei Dieter Romann am Flughafen der Stadt Erbil übergeben. Seit dem 9. Juni ist der Iraker wieder in Deutschland. Ihm soll vor dem Schwurgericht des Landgerichts Wiesbaden schon bald der Prozess gemacht werden. In der 55 Seiten umfassenden Anklageschrift im Fall Susanna werden dem 21-Jährigen Vergewaltigung und Mord vorgeworfen. In einer ausführlichen Pressemitteilung nennt die Staatsanwaltschaft nun Details, wie sich die Verbrechen abgespielt haben sollen.
In der Nacht des 23. Mai soll Ali Bashar das Mädchen gegen 1 Uhr nach dem Verlassen der Flüchtlingsunterkunft Berliner Straße in eine Feldgemarkung geführt haben. Der Iraker hatte im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim mit seiner Familie vier Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft im Kreuzberger Ring 38 bewohnt. In der Feldgemarkung habe der 21-Jährige die Schülerin gegen ihren Willen berührt und Geschlechtsverkehr von ihr verlangt. „Nachdem Susanna dies abgelehnt habe, soll der Angeschuldigte einen Ast genommen und Susanna hiermit entweder am Hals gewürgt oder ins Gesicht geschlagen haben, um sie gefügig zu machen. Aus Angst vor dem Angeschuldigten und vor weiteren Übergriffen soll Susanna sodann gegen ihren Willen den vom Angeschuldigten geforderten Geschlechtsverkehr geduldet haben.“
Mehrere Minuten mit dem Arm gewürgt
Nachdem Susanna geäußert habe, zur Polizei gehen zu wollen, habe der Angeschuldigte zunächst mehrfach verbal versucht, sie von diesem Vorhaben abzubringen. Als Susanna gleichwohl bekräftigte, die Polizei zu informieren, habe der Angeschuldigte befürchtet, dass die Polizei Kenntnis von dem sexuellen Übergriff erlangen könnte, und deshalb beschlossen, Susanna zu töten. Ein Mord, um die Vergewaltigung zu vertuschen.
Ali Bashar habe dann die vor ihm sitzende Susanna von hinten mehrere Minuten mit seinem Arm gewürgt, bis diese kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben habe und letztlich aufgrund der von dem Angeschuldigten vorgenommenen Strangulation verstorben sei. Der Angriff von hinten auf das ahnungslose Opfer sei heimtückisch gewesen, heißt es in der Anklage.
Komplize beim Ausheben des Erdlochs
In ihrer Pressemitteilung macht die Staatsanwaltschaft auch Angaben zum Beseitigen der Leiche. Sie war erst am Nachmittag des 6. Juni, zwei Wochen nach dem Verschwinden des Mädchens, entdeckt worden. In einem Erdloch nahe der Bahnlinie. Das zirka 35 Zentimeter tiefe, ein Meter breite und etwa 1,80 Meter lange Erdloch soll Ali Bashar „mit Hilfe zumindest einer weiteren unbekannten Person“ ausgehoben haben.
In einer gesonderten Anklage wirft die Staatsanwaltschaft Wiesbaden dem Iraker in zwei Fällen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern vor. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeschuldigte am 27. April 2018 gegen 14 Uhr eine 11-jährige Schülerin aus Wiesbaden in sein Zimmer in der Asylunterkunft gelockt, dort eingeschlossen und begonnen haben soll, das Kind gegen dessen Willen zu berühren. Trotz mehrfacher Äußerungen nach Hause zu wollen, habe der 21-Jährige das Opfer nicht gehen lassen. Vielmehr soll er das Kind auf das Bett geworfen und unter Androhung von Schlägen den Geschlechtsverkehr erzwungen haben.
Anklage auch wegen Vergewaltigung Elfjähriger
Im Mai 2018, entweder am 20. oder 27., war die Elfjährige nachmittags auf einem Supermarkt-Gelände in der Nähe der Asylunterkunft in Erbenheim, als ein Freund des Irakers sexuell übergriffig wurde, ein afghanischer Flüchtling, der als 13-Jähriger in den Papieren geführt wurde, aber nach einer Untersuchung der Rechtsmediziner mindestens 14 Jahre sei. Mit 14 ist man strafmündig und kann vor Gericht gestellt werden. Der Afghane mit Namen Mansoor soll das Mädchen in die dort angrenzende Grünfläche gezogen und sie gegen ihren Willen im Intimbereich berührt haben. Er ließ ab, weil die Elfjährige zu schreien begonnen hatte. Mansoor sei mit der als Jacke getragenen Bluse des Kindes dann geflüchtet.
Kurz darauf sei sein Freund Ali Bashar aufgetaucht, er habe die Bluse zurückgebracht. Er soll dann die Elfjährige zu einer Falschaussage aufgefordert haben. Das Mädchen solle sagen, dass nicht er, Ali, sondern sein jüngster Bruder, der den Spitznamen „Keysi“ trägt, die Vergewaltigung am 27. April im Zimmer der Flüchtlingsunterkunft begangen habe. Dieser „Keysi“ könnte, weil noch nicht 14, nicht bestraft werden. Bei der Aufforderung zur Falschaussage habe es Ali Bashar nicht beenden lassen, so die Staatsanwaltschaft. Er habe begonnen, „die Geschädigte gegen ihren Willen anzufassen, woraufhin diese weglief.“ Das Mädchen sei dann zu Boden gefallen. Der Iraker soll die Elfjährige eingeholt und „diese im Unterkörperbereich unter körperlichem Zwang entkleidet und sodann gegen ihren Willen wiederum den Geschlechtsverkehr ausgeführt haben.“ Auch der zuvor geflüchtete Mansoor, sei dabei gewesen. Alis Freund soll nach der ersten Vergewaltigung dann „ebenfalls unter Zwang und gegen den Willen des Kindes den Geschlechtsverkehr ausgeübt haben“. Ali Bashar soll in Sichtweite gestanden haben.
Die Staatsanwaltschaft hat wegen dieser Taten sowohl gegen den 21-jährigen Iraker als auch gegen Mansoor Anklage vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Wiesbaden erhoben.
Dritte Anklage wegen Raubes und Körperverletzung
In einer dritten Anklage legt die Staatsanwaltschaft Ali Bashar zur Last, ebenfalls am 27. April, dem Tag der Vergewaltigung der Elfjährigen in der Flüchtlingsunterkunft, gegen 23 Uhr im Kurpark in Wiesbaden gemeinsam mit einem bislang nicht näher identifizierten Mittäter einen algerischen Flüchtling „unter Vorhalt eines Messers in ein Gebüsch gezogen, diesen dort mehrfach geschlagen und gewürgt und sodann Wertgegenstände, nämlich eine Uhr und eine Umhängetasche, in welcher sich unter anderem eine Bankkarte und der Personalausweis des Geschädigten befunden haben, sowie ein Smartphone entwendet zu haben.“ Im Anschluss an den Raub und die Körperverletzung soll Ali Bashar dem im Rheingau wohnenden Opfer auch noch die Hose ausgezogen haben. Dem jungen Algerier sei es allerdings gelungen, den Täter wegzutreten und zu flüchten. Das Opfer erlitt mehrere Verletzungen im Gesicht- und Halsbereich. Schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung, lautet in diesem Fall die Anklage.
Gegen den mindestens 14-jährigen Afghanen Mansoor hat die Staatsanwaltschaft Wiesbaden eine gesonderte Anklage vor dem Landgericht Wiesbaden erhoben. Auch in diesem Fall war das elfjährige Mädchen Opfer. Eine weitere Vergewaltigung des mit ihm befreundeten Kindes. An einem „bislang nicht näher bestimmbaren Tag“ zwischen dem 30. April und 18. Mai 2018 soll Mansoor gemeinsam mit dem noch strafunmündigen jüngsten Bruder von Ali Bashar in einem Waldstück in Wiesbaden-Medenbach Täter gewesen sein. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen soll zunächst der strafunmündige Bruder die Elfjährige unter dem Vorwand in den Wald gelockt haben, unter dem Vorwand, dass er die Vergewaltigungen seines Bruders Ali mit ihr „regeln“ wolle. Als Gegenleistung soll er Geschlechtsverkehr verlangt haben.
Weil das Mädchen dies abgelehnt habe, soll der 13 Jahre alte Täter die Elfjährige gewürgt und gedroht haben, sie umzubringen. Gleichzeitig sei Mansoor hinzugekommen. Er habe dem Kind das Handy und die Ohrringe weggenommen. „Nachdem die Geschädigte angefangen habe, zu schreien, soll der Angeschuldigte Mansoor dieser mit der Hand den Mund zugehalten haben“, heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Alis jüngster Bruder habe das Opfer „im Unterkörperbereich entkleidet und den Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen ausgeführt“. Mansoor habe das Opfer dabei festgehalten. Im Anschluss habe dann Mansoor das Mädchen vergewaltigt, Alis Bruder habe dabei durch Festhalten des Opfers geholfen.
Ermittlungen gegen Chef der Bundespolizei eingestellt
Am 7. Juni 2018 soll Mansoor der Elfjährigen und deren Schwester zudem gedroht haben, dass diese „genauso tot seien wie dieses Mädchen“, wenn sie im Fall der von Ali Bashar getöteten Susanna etwas sagen würden.
Wegen dieser Vorfälle hat die Staatsanwaltschaft Wiesbaden gegen Mansoor Anklage wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei Fällen sowie wegen Bedrohung erhoben.
Unterdessen teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Bundespolizeipräsident Dieter Romann im Zusammenhang mit der Rückführung Ali Bashars aus dem Nordirak eingestellt habe. „Das ist alles abgeschlossen“, sagte die Sprecherin der Behörde. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht.
Nach einer Anzeige hatte die Anklagebehörde wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung gegen Romann ermittelt. Romann und weitere Bundespolizisten waren im Juni nach Erbil im Nordirak geflogen, um den dort festgenommenen Tatverdächtigen zurück nach Deutschland zu bringen. Sowohl Strafverteidiger in Deutschland als auch die irakische Zentralregierung in Bagdad hatten die Art der Rückführung kritisiert.