15-jähriges „Herzkind“ auf Mainzer Kinderintensivstation
Noch vor ein paar Wochen ist Charlotte kerngesund. An Weihnachten kommt das Mädchen mit einer gefährlichen Herzbeutelentzündung in die Klinik. Wie es ihr jetzt geht.
Von Kirsten Strasser
Reporterin Rheinhessen
Liebevoll umsorgt: Patientin Charlotte mit Ines Lingnau (l.), Katharina Engmann (r.) und Prof. Christoph Kampmann.
(Foto: hbz/Kristina Schäfer)
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MAINZ/OPPENHEIM - Etwa die Hälfte der Patienten, die auf der Mainzer Kinderintensivstation behandelt werden, sind „Herzkinder“. Einige haben wir während der aktuellen Leser-helfen-Kampagne kennenlernen dürfen. Den 14-jährigen Tamino zum Beispiel, der beim Basketballspielen ganz plötzlich einen Herzstillstand erlitt, reanimiert werden und in der Klinik mit einem Defibrillator versorgt werden konnte. Oder die kleine Melike, die an einem schweren angeborenen Herzfehler leidet und auf ein Spenderherz wartet. Über ein Jahr lang lag das eineinhalb Jahre alte Mädchen auf der Kinderintensivstation, bevor es endlich nach Hause durfte. Von Melike gibt es gute Nachrichten: Ihr Zustand ist weiter stabil.
Nun also Charlotte. 15 Jahre alt und noch vor ein paar Wochen ein kerngesunder Teenager. Warum das Mädchen eine Herzbeutelentzündung bekam, wissen die Ärzte bis heute nicht genau, obwohl seit Charlottes Einlieferung schon drei Wochen vergangen sind. „Wir sind noch auf Ursachensuche“, sagt der Kinderkardiologe Prof. Dr. Christoph Kampmann.
Die Angst überwunden
Am wichtigsten jedoch ist: Die Mediziner haben die Erkrankung mittlerweile im Griff, Charlotte geht es langsam, aber stetig besser. Und das ist eine Riesenerleichterung – für die junge Patientin, aber auch für ihre Eltern, die mitgelitten haben, und für die Ärzte und Pfleger. Eine Perikarditis ist nicht nur eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit – Erkrankte sprechen von „einem Gefühl, als ob man Sandpapier an Sandpapier reibe“, erklärt Kampmann. Eine Herzbeutelentzündung, die nicht oder nicht richtig behandelt wird, kann zum Tod führen. Eine bedrohliche Sache also, zumal für ein 15-jähriges Mädchen.
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Doch die Angst hat Charlotte längst überwunden. „Ich fühle mich hier gut aufgehoben“, sagt die Schülerin und lächelt. „Ich habe einfach das Gefühl, dass mir hier nichts Schlimmes passieren kann.“ Was für ein Kompliment ans Team der Kinderintensivstation! Das sich freilich redlich bemüht, Charlotte den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Die 15-Jährige muss strikte Bettruhe halten und freut sich immer, wenn eine Pflegekraft den Kopf ins Zimmer steckt und ein paar Worte mit ihr wechselt – gerade jetzt, wo es ihr besser geht. „Die ersten Tage des neuen Jahres habe ich ja komplett verschlafen.“
Schon vor etlichen Wochen hatte Charlotte bemerkt, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Ein Druck auf der Brust machte ihr zu schaffen, doch erste Untersuchungen brachten keine Ergebnisse; vermutlich hatte die Zehntklässlerin zu viel Stress in der Schule, vermuteten die Ärzte. Doch die Beschwerden wurden schlimmer, am Ende tat jeder Atemzug, jeder Herzschlag weh. Zwei Tage vor Weihnachten bat Charlotte ihre Eltern, sie ins Krankenhaus zu bringen. In der Kinderklinik der Mainzer Universitätsmedizin wurde das junge Mädchen gründlich untersucht, am 24. Dezember stand die Diagnose fest: Herzbeutelentzündung.
Charlotte wurde umgehend auf die Kinderintensivstation verlegt, hier verbrachte sie erst Heiligabend, dann den Jahreswechsel. Schlimm? „I wo“, winkt die 15-Jährige ab, „die Schwestern waren voll nett zu mir. An Silvester durfte ich sogar mit ihnen anstoßen, mit dem Rollstuhl durfte ich ins Schwesternzimmer.“
Vorfreude auf die Zeit nach dem Krankenhaus
Eine bakterielle Ursache für Charlottes Herzbeutelentzündung schließt Kardiologe Kampmann inzwischen aus. Auch eine bislang unentdeckte Systemerkrankung, die die Perikarditis als „Begleiterscheinung“ ausgelöst haben könnte, wurde bislang nicht festgestellt. Bleibt die Möglichkeit, dass sich Charlotte einen bislang nicht identifizierten Virus eingefangen hat. Noch laufen die (Blut-)Untersuchungen, die zum Teil sogar direkt auf der Kinderintensivstation durchgeführt werden können, da diese über hochmoderne Diagnostikgeräte verfügt. Währenddessen kommt die junge Patientin zu Kräften. Dass sie nur von ihren Eltern besucht werden darf (und auch das nur im Wechsel), versteht sie gut: „Wenn ich jetzt noch Corona bekommen würde, wäre das echt schlecht. Ich bin froh, dass man mich so gut schützt“, sagt die 15-Jährige und legt damit weit mehr Vernunft an den Tag als so mancher Erwachsene.
Dennoch – auf die Zeit nach dem Krankenhaus freut sie sich riesig. Für die Schule will sie lernen, um den Anschluss nicht zu verpassen, „schließlich zählt das nächste Jahr schon fürs Abi“, sagt Charlotte, die das Otto-Schott-Gymnasium in Mainz besucht. Vor allem aber freut sie sich drauf, mit ihren Freundinnen mal wieder Sushi essen zu gehen – nach den vielen Wochen Krankenhauskost. Jammern will Charlotte aber beileibe nicht, im Gegenteil. „Ich finde, Dankbarkeit ist wichtig“, sagt sie nach kurzem Überlegen. „Wenn ich nicht hier, sondern in einem anderen Land geboren wäre, würde man sich vielleicht nicht so gut um mich kümmern können. Wir sind ganz schön privilegiert.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 09.01.2022 um 03:00 Uhr publiziert.