Muss sich Glyphosat in Mainz vom Acker machen?

Verbot von Glyphosat und Neonicotinoiden auf städtischen Äckern – damit beschäftigt sich heute der Stadtrat. Foto: hbz/Jörg Henkel

Ein breites Bündnis im Stadtrat fordert ein Verbot des Pestizids auf städtischen Flächen in Mainz. Doch Landwirte sehen „unnötige Erschwernisse ohne Nutzen für Biodiversität“.

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MAINZ. Grüne Kreuze auf den Äckern, Traktor-Sternfahrten nach Berlin, Proteste beim CDU-Landesparteitag in Neustadt – die Landwirte wehren sich gegen neue Regulierungen, die Agrarpolitik wird heiß diskutiert. In diesem Umfeld beschäftigt sich nun auch der Mainzer Stadtrat in seiner Sitzung am Mittwoch mit einem Antrag zu dem Konfliktfeld. Dessen Ziel: Glyphosat und Neonicotinoide auf städtischen Äckern und anderen Flächen verbieten sowie bei Deutscher Bahn und stadtnahen Unternehmen wie der Mainzer Mobilität ebenfalls auf einen Verzicht hinwirken. Und der Protest lässt nicht lange auf sich warten.

Eingebracht wird der Antrag von einem breiten Bündnis aus Grünen, SPD, Linken, ÖDP, Piraten und Volt. Zur Begründung der Maßnahme heißt es darin, dass Glyphosat der Biodiversität schade, da es nicht selektiv, sondern unterschiedslos auf den Stoffwechsel aller Pflanzen einwirke. So drohten unter anderem Insekten die Lebensgrundlagen entzogen zu werden. Außerdem könne das Glyphosat über Ausschwemmung und Versickerung auch das Oberflächen- und Grundwasser belasten. Über die Trinkwassergewinnung könnten die Wirkstoffe dann wieder zurück zu den Verbrauchern gelangen, warnt der Antrag. Neonicotinoide würden derweil als Insektengift eingesetzt und beseitigten nicht nur Schädlinge, sondern griffen auch Honigbienen, Wildbienen, Hummeln und wilde Insekten sowie Schmetterlinge an. Die Stadt selbst verzichte seit 2012 auf den Einsatz von Pestiziden bei der Pflege öffentlicher Grünflächen – allerdings verpachteten sie und ihre Gesellschaften bislang rund 85 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, ohne Regelungen zum Einsatz von Pestiziden getroffen zu haben.

Aus dem Ergebnis der Kommunalwahl gehe eine deutliche Forderung nach einer Stärkung der Biodiversität hervor, erklärt Marcel Kühle, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Das Verbot der Pestizide sei dabei ein Baustein. Um das Vorhaben aus dem grünen Wahlprogramm auch ohne bestehende Koalition umzusetzen, sei man auf alle demokratischen Fraktionen zugegangen und habe so die breite Unterstützung gesammelt. „Die Stadt muss mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Verantwortung gerecht werden, Eigentum verpflichtet“, ist Kühle überzeugt. Man wolle nicht darauf warten, dass vonseiten der Lobbygruppen oder der Industrie von allein Veränderungen kämen. Und Mainz sei mit dem Vorhaben keineswegs allein. Bundesweit hätten schon viele Kommunen unabhängig von Regelungen auf europäischer oder Bundesebene den Einsatz der Pestizide untersagt. Die Verantwortung der Stadt betont auch der Linken Fraktionsvorsitzende Tupac Orellana. Die Stadt müsse darauf achten, was mit den Flächen, die sie verpachte, passiere. „Das ist der Grund und Boden, der uns allen gemeinsam gehört. Da sollten keine Gifte versprüht werden“, sagt Orellana. Aus diesem Grund habe die Linke bereits 2018 einen ähnlichen Antrag gestellt, der aber nicht verabschiedet worden sei.

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Beim jetzigen Antrag ist es wichtig, dass man die Entscheidung nicht über die Köpfe der Landwirte hinweg treffen wolle, sondern den Austausch suche, betont derweil Marcel Kühle. Nach Gesprächen mit Landwirten habe man den Antrag dahingehend verändert, dass bei Härtefällen – etwa kleinen verpachteten städtischen Flächen in größeren Anbaugebieten – Ausnahmegenehmigungen möglich sein sollten. Zudem fordere der Antrag nun, dass der Dialog zwischen Landwirtschaft, Verwaltung, Ratsfraktionen und Umweltverbänden vertieft werden solle, um die Biodiversität zu stärken. Von einigen Landwirten habe es konstruktive Reaktionen gegeben, von anderen Ablehnung.

Ludwig Schmitt gehört definitiv zur letzteren Gruppe. Der Antrag sorge für unnötige Erschwernisse, ohne dass er der Biodiversität nützlich sei, sagt der Kreisbauernvorsitzende. Aus diesem Grund habe man sich auch mit einem offenen Brief an OB Michael Ebling (SPD) und die antragstellenden Fraktionen gewandt. Glyphosat werde vor allem zur Bekämpfung von Beikräutern in den Baumreihen beim Obstanbau oder in den Rebzeilen verwendet. Dort werde es auf dem Boden versprüht, um diese von Schädlingen freizuhalten. Auf den Äckern spiele das Mittel dagegen eine deutlich geringere Rolle, erklärt der Finther Landwirt. Ein „ökonomisch vertretbarer Ersatz für Glyphosat“ sei nicht möglich. Die Landwirte müssten dann entweder maschinell oder mit anderen, weniger effizienten Herbiziden arbeiten – „und es steht nicht zu erwarten, dass der Markt das honoriert“, kritisiert Schmitt. Eine Untersuchung der TH-Bingen zeige zudem, dass Wildbienen vor allem auf mit Glyphosat behandelten Flächen zu finden seien.

Doch davon, dass die Zeit des Glyphosats endlich ist, ist auch Schmitt überzeugt. Die EU werde die Zulassung in absehbarer Zeit entziehen. „Aber wir hoffen, dass die Industrie bis dahin neue Mittel entwickelt hat, die die Umwelt stärker berücksichtigen.“ Eine zu starke Regulierung gefährde viele Betriebe.