500 Landwirte protestieren in Mainz

Die Traktoren in Mainz.  Foto: Lukas Görlach

Mit Traktor-Sternfahrt und Kundgebung demonstrieren Bauern gegen geplante Neuregelungen im Agrarsektor und Höfesterben. Größere Verkehsbehinderungen blieben aus.

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MAINZ. Das große Verkehrschaos am Rande der vom bundesweiten Agrarbündnis "Land schafft Verbindung" am Mittwochmittag organisierten Großdemonstration von Landwirten aus ganz Rheinland-Pfalz blieb aus. Laut Polizei nahmen insgesamt rund 500 Personen an der Protestkundgebung auf dem Ernst-Ludwig-Platz teil. Sie kamen mit rund 400 Traktoren. Polizei und Stadt waren von 700 Teilnehmern und 500 Traktoren ausgegangen, hatten im Vorfeld vor Verkehrsbehinderungen ab etwa 8 Uhr gewarnt. Doch es blieb weitgehend ruhig auf den Straßen. Die ersten Traktoren fuhren hupend und mit Protestschildern versehen auf dem Ernst-Ludwig-Platz auf. Ab etwa 10 Uhr füllte sich der Platz zusehends.

Ab etwa 11.30 Uhr begannen auf der Bühne die Redebeiträge. Zunächst machten die Bauern ihrem Ärger Luft. Sie protestieren, wie in den vergangenen Wochen bereits bundesweit mehrfach geschehen, insbesondere gegen das geplante Agrarpaket der Bundesregierung. Die Landwirtschaft werde gerade vor dem Hintergrund der Umweltschutzdebatte immer heftiger angefeindet, in ein nahezu ausschließlich negatives Licht gerückt und gleichzeitig mit immer schärferen Auflagen konfrontiert, zudem nicht ausreichend gefördert, sagte Demo-Organisator Klaus-Peter Weinand.

Besagtes Agrarpaket sieht unter anderem vor, dass der Einsatz von Pflanzen- und Insektenschutzmitteln in Schutzgebieten weiter eingeschränkt und gar verboten werden könnte.

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Das Agrarpaket gehe letztlich an der landwirtschaftlichen Realität vorbei, sei nicht mehr vermittelbar und schon gar nicht praxistauglich, so Weinand. Vielmehr würden sich die Landwirte wünschen, dass die Politik die Bauern einbinden solle, mit ihnen und nicht nur über sie reden solle. Auch die Wissenschaft sollte noch stärker eingebunden werden. Auch kritisieren die Bauern das Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, der Importe begünstige und die Situation regionaler Landwirte weiter verschärfe. Die Kritik der Bauern richtet sich zudem seit einiger Zeit gegen die Verteilung der Messstellen, an denen die Nitratkonzentration im Boden ermittelt werde. Es werde an zu wenigen Stellen und zudem noch ungeeigneten gemessen. Viele Bauern fürchteten angesichts der sich für die Landwirtschaft immer weiter zuspitzenden Situation nicht nur enorme Nachteile, sondern gar um ihre Existenzgrundlage, so Vertreter der Landwirte. Schon jetzt greife das "Höfesterben" um sich. "Für viele Bauern ist die Situation inzwischen unerträglich", berichtet Winzerin Sonja Blees-Wallich aus Jugenheim. "Immer mehr Betriebe geben auf, müssen zumachen. Und diese Entwicklung wird weitergehen, wenn kein Umdenken stattfindet", so die Winzerin.

Als dritter Redner auf der Bühne ergriff am Mittwoch der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) das Wort. Und er sprang den Landwirten bei: Bauern dürften nicht zu Universalverantwortlichen für Probleme aller Art gemacht werden. Vielmehr sollten sie stärker eingebunden werden. Es müsse eine Lösung auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse gefunden werden. Das Bauchgefühl der Stadtbevölkerung dürfe nicht zum Maß moderner Agrarpolitik gemacht werden, so Wissing. "Und es ist gut, dass Sie demonstrieren und dass Sie nicht schweigen."

Den Bauern würden Steine in den Weg gelegt. "Was von Ihnen erwartet wird, geht zu weit. Und ich unterstütze Sie bei Ihrem Anliegen", so der Landwirtschaftsminister. Alle 16 Agrarminister der Länder hätten das abgelehnt, was Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in Brüssel verhandelt habe. "Das sogenannte Agrarpaket steht nicht für die Landwirtschaft, sondern für eine neue Form des Ökopopulismus. Und es entbehrt an vielen Stellen jeden Sachverstand", so Wissing weiter. Es handele sich in seinen Augen um Schaufensterpolitik und setze letztlich auch die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln von regionalen Landwirten aufs Spiel. Wertschätzung bedeute auch, dass man für die Bauern fachlich durchdachte Rahmenbedingungen schaffe. Agrarpolitik dürfe nicht aus der Realität einer Großstadt heraus gedacht werden, "sondern sie muss aus der Realität der landwirtschaftlichen Praxis gedacht und gemacht werden", sagte Wissing. Der Minister kündigte zudem an, dass die Nitrat-Messstellen überprüft werden sollen. Er wolle Anfang kommenden Jahres einen Agrargipfel einberufen. Zudem forderte er einen nationalen Agrar- und Klimarat.

Um kurz nach 13.30 Uhr war die Versammlung schließlich beendet. Und auch die Abreise der Landwirte verlief ohne größere Verkehrsbeeinträchtigungen.

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Unser Podcast „BabbelBox“ hat sich ebenfalls mit dem Protest der Landwirte beschäftigt.

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