Nicht unmöglich: Erstsemester berichtet von Wohnungssuche in Gießen
Fast drei Monate ging nach dem Aufwachen der erste Griff sofort zum Handy. Doch nicht, um verschlafen ein paar Nachrichten abzurufen. Stattdessen habe ich eine Vielzahl von Immobilienportalen durchstöbert: Die Suche nach der ersten eigenen Wohnung erwies sich jedenfalls als wahrer Marathon. Doch nun ist das Ziel erreicht, mein Studium an der JLU kann beginnen.
Von Julian Spannagel
Immer und überall: Zum Semesterstart bleibt bisweilen keine Suchoption für bezahlbaren Wohnraum ungenutzt. Archivfoto: dpa
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GIESSEN - . Fast drei Monate ging morgens nach dem Aufwachen der erste Griff sofort zum Handy. Doch nicht, um nur kurz auf die Uhr zu schauen oder verschlafen ein paar Nachrichten abzurufen. Stattdessen habe ich eine Vielzahl von Immobilienportalen durchstöbert: Immobilienscout24, Immowelt, Ebay-Kleinanzeigen, die Wohnbörse des Studentenwerks oder auch die des Gießener Anzeigers. Ich könnte diese Liste noch weiter fortführen. Die Suche nach der ersten eigenen Wohnung erwies sich jedenfalls als wahrer Marathon. Doch nun ist das Ziel erreicht, mein Studium der Sozialwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität (JLU) kann beginnen.
Vor meiner ersten Besichtigung war ich doch ein wenig angespannt. Und ich fragte mich, ob ich eigentlich etwas Bestimmtes anziehen sollte. Letztlich entschied ich mich für ganz normale, aber ordentliche Straßenkleidung. Obendrein fiel mir noch ein, es könnte vielleicht sinnvoll sein, ein paar Infos über mich als Person zusammenzustellen sowie einige Nachweise zu meiner Zahlungsfähigkeit zu kopieren. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass das höchstens für den Vermieter interessant ist - für die Besichtigung mit dem aktuellen Mieter eher weniger.
"Alleingelassen"
Ein wenig fühlte ich mich manchmal alleingelassen, insbesondere vonseiten der Politik, die es nicht schafft, die vor allem in Städten seit Jahren explodierenden Mieten in Zaum zu halten. Apropos: Frühzeitig sollte man sich auch damit auseinandersetzen, wie das Studentenleben überhaupt finanziert werden kann. Das Bafög reicht oft nicht und auch der Mietkostenzuschuss in Höhe von derzeit 250 Euro ist knapp bemessen. Das genügt selbst für die meisten WG-Zimmer nicht. Das größte Problem ist allerdings, dass es schlicht zu wenig Wohnraum gibt. Das trifft insbesondere auf Single-Appartements zu. Vermieter berichteten mir von bis zu hundert Anfragen und dutzenden konkreten Mitbewerbern. Das kann angehende Hochschüler schnell entmutigen. Ich selbst habe glücklicherweise nie wirklich Druck verspürt, da ich derzeit noch im wenige Kilometer entfernten Hüttenberg wohne. Gießen ist durch Busse auch mehr oder weniger gut angebunden. Ich mag mir aber kaum vorzustellen, wie es anderen und insbesondere Studierenden geht, die von außerhalb kommen, für das Wintersemester bereits eingeschrieben sind, aber immer noch nichts gefunden haben.
Was ich schnell gelernt habe, ist, dass zwischen einer interessant erscheinenden Wohnung, einer Besichtigung und dem letztendlichen Unterzeichnen eines Mietvertrags eine lange Durststrecke liegt. Wichtig ist, durchzuhalten und nicht die Zuversicht zu verlieren. Auf dem Weg zum Mietvertrag können zwei Abzweigungen genommen werden: Zu entscheiden ist zwischen Quantität und Qualität. Man kann sich einerseits viele Wohnungen anschauen, die in ein grobes Raster fallen oder lukrative Objekte mit Sorgfalt auswählen. Auch der Spagat zwischen dem eigenen Anspruch und der oft finanziell determinierten Realität muss gemeistert werden. Insgesamt blicke ich auf eine zähe Angelegenheit zurück, da es doch recht schwierig ist, ein bezahlbares Einzimmerappartement zu finden. Wenn man sich vollkommen einschränkt und einem unter 20 Quadratmetern, kein Balkon und eventuell sogar noch ein geteiltes Bad ausreichen, schafft man es mitunter auch für unter 300 Euro. Zwei Zimmer, um Schlaf- und Wohnbereich voneinander zu trennen? Unbezahlbar, unter 600 Euro Warmmiete gibt es das nur selten Angebote.
"Vertrauen schaffen"
Meine persönliche Grenze habe ich bei einer Wohnungsgröße von 30 Quadratmetern gesteckt, da mir alles andere zu beengt erschien. Da werden dann auch mal bis zu 450 Euro fällig. Zum Verständnis: Ein WG-Zimmer kam für mich persönlich nicht infrage.
Neben dem Durchforsten von Angeboten habe ich auch selbst Suchannoncen bei Ebay-Kleinanzeigen und beim Studentenwerk geschaltet. Hin und wieder bekam ich auch eine Mail oder einen Anruf von Personen, die diese fälschlicherweise für ein Angebot gehalten haben. Echte Mietangebote erreichten mich dagegen kaum, sie ließen sich an einer Hand abzählen und entsprachen meist nicht meinen Vorstellungen. Oft genug hat man schon davon gehört, tatsächlich habe auch ich selbst die Wohnungssituation in Gießen insbesondere zu Semesterbeginn als angespannt erlebt. Was mir jedoch ebenfalls aufgefallen ist: Der Wohnungsmarkt ist insgesamt sehr schnelllebig. Kaum eine Immobilie wird früher als einen Monat vor dem Einzugstermin eingestellt. Allzu häufig habe ich Anzeigen entdeckt, die mir zwar zusagten, aber nicht infrage kamen, da ich so knapp wie nur möglich vor dem Studium umziehen wollte. Schnelligkeit ist also das A und O, wenn man noch die Chance auf einen Besichtigungstermin haben möchte.
Letzten Endes kann ich getrost sagen, dass ich froh bin, jetzt eine Wohnung gefunden zu haben. Anders als bei den anderen Besichtigungen habe ich eigentlich nichts gemacht. In dem E-Mails im Vorfeld habe ich mich bemüht, konkret und interessiert aufzutreten. Bei der Besichtigung selbst hat sich ein längeres Gespräch entwickelt, sodass ich auch ein gutes Bauchgefühl bei der Sache hatte. Dass man als Student meist finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, wissen auch die Vermieter. Deswegen habe ich versucht, meine persönliche Situation genau zu erläutern und auch Nachweise dafür vorzulegen, um Vertrauen zu schaffen. Denn ich denke, dass es letztendlich im menschlichen Ermessen des Vermieters liegt, einem Bewerber dem Vorzug zu geben. Jetzt ist die Suche jedenfalls vorbei. Und fast schon aus Gewohnheit öffne ich auch jetzt gelegentlich noch die Apps der Immobilienportale auf meinem Handy, bevor mir das wieder einfällt.