Sibylle Kreck wurde bei ihrer Lesung durch ihre Schwester Sabine mit der Klarinette unterstützt. Foto: Vollformat/Frank Möllenberg
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MASSENHEIM - „Das ist die absolut tollste Umgebung, die man für eine Lesung haben kann“, rief Inge Schmollinger-Bornemann am vierten Abend der Reihe „Lesen im Freien“ im Schlosshof strahlend aus. Das bestätigten der Organisatorin die gut 40 Besucher ebenso wie Sibylle Kreck. Seit 2010 las die Mainzer Russistin und Slawistin schon in mehreren Gärten und Höfen, aber „nie in einem Schloss“. Als neuen Veranstaltungsort für 2017 gewann es Schmollinger-Bornemann im Gespräch mit Hausherrin Gabriele Geis. Sie bot ihr den Schlosshof für eine Lesung zum Dorfjubiläum 2019 an, erzählte Schmollinger-Bornemann. „Das könnt ihr doch gleich ausprobieren“, schlug sie vor und Geis freute sich, wie gut das Ambiente ankam.
Musikalische Improvisation als Ergänzung zum Text
Den Zauber steigerte Kreck. Sie hatte zur Lesung am besonderen Ort ihre Schwester Sabine Fues mitgebracht und diese sorgte für ein Ausnahmeerlebnis. Die studierte Multiinstrumentalistin und Dozentin vertiefte die emotionalen Wechselbäder, in die Kreck das Publikum mit Erzählungen von Anton Tschechow und Siegfried Lenz über die erste Liebe, den Heiratsantrag und die Ehe stürzte, mit Improvisationen auf der Klarinette. Lesungen und Musik machten es den Zuhörern schwer, Krecks Bitte zu erfüllen: Sie bat anfangs, erst am Ende zu klatschen, um die Atmosphäre nicht zu zerstören.
Danach nutzten viele Besucher die Gelegenheit, sich bei Geis über das Generationen-Wohnprojekt im Schlosshof zu informieren und den großen gemütlichen Gemeinschaftsraum mit Küche in der alten Kellerei zu besichtigen. Altenpflegerin Geis erzählte, wie sie und ihr Mann, Fließenlegermeister Matthias Geis, der die Scheune als Lager nutzt, vor neun Jahren ins Schloss zogen, den Hof sukzessive sanierten, erweiterten und dabei die sechs Wohnungen behindertengerecht mit Aufzug auf der Kellerei bauten. „Alle sind vermietet“, vor allem an Paare, unter anderem mit Baby und zweijährigem Kind. Von den elf Erwachsenen steht nur eine gut 70-jährige Bad Sodenerin nicht mehr im Arbeitsleben. So aktiv wie die anderen Bewohner war auch sie während der Lesung unterwegs.
WEITERE LESUNGEN
Sieben der elf Lesungen bei dem 15. „Lesen im Freien“ finden noch statt – alle sonntags um 17 Uhr. Von Massenheim wechselt der Lese-Reigen am 30. Juli nach Hochheim.
Eine Anmeldung ist nicht nötig, jeder kann einfach kommen. Besuch und Bewirtung kosten nichts.
Am 23. Juli lesen SPD-Bundestagskandidatin Ilja Kristin Seewald und die Organisatorin der Reihe, Inge Schmollinger-Bornemann im Hof von Familie Lempp, Alte Dorfgasse 10.
Am 30. Juli lesen Hela und Wolfgang Schulz in ihrem Garten, Alleestraße 12, sowie am 6. August Helga Hennefelder ebenfalls in Schulz’ Garten.
Am 13. August liest Gabriele Liebig im Hof von Familie Drews, Frankfurter Straße 47.
Am 20. August liest Hans-Jürgen Möbus im Garten von Familie Drexler, Danziger Allee 29 B.
Am 27. August liest Ulrike Buschlinger in ihrem Garten, Weinbergstraße 2.
Am 3. September liest Stephan Crass, aber nur wenn es nicht regnet, in seinem Garten, Weinbergstraße 28. (dre)
„Der Grundgedanke ist, dass man so lange wie möglich im eigenen Haus bleiben kann, aber man darf nicht erst als alter Mensch irgendwo hinziehen, wenn eine Wohngemeinschaft wachsen soll“, erklärte Geis, wieso der große Raum bisher kaum genutzt wird und noch keine Pflegebedürftigen auf dem Hof leben. Für sie ist aber vorgebaut. 2016 richtete ihre Freundin Andrea Karst-Zipp im Kellerei-Erdgeschoss den ambulanten Pflegedienst ein. Im Haus pflegte Geis selbst „meinen Opa, bis er vor zwei Jahren mit 100 starb“.