Die Flörsheimer Stiftung lädt in der Nachbarstadt zum Essen ein. Sie ist zudem Anlaufstelle für rund 300 Obdachlose in der Region.
Von Lily Nielitz-Hart
Beim Weihnachtsessen für Obdachlose geht es besinnlich zu, es wird geplaudert und gesungen.
(Foto: Lilly Nielitz-Hart)
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FLÖRSHEIM/HATTERSHEIM - Wohnungslose aus der Rhein-Main-Region kamen am Freitag im Haus St. Martin am Autoberg in Hattersheim in den Genuss einer Weihnachtsfeier mit leckerem Festmahl. Die Tische im kleinen Gemeinschaftsraum waren voll besetzt, immer wieder kamen durchnässte Nachzügler durch die Tür, die froh waren, dass sie dem strömenden Regen draußen entfliehen konnten. Der appetitanregende Duft des von der Flörsheimer Kurt-Graulich-Stiftung gespendeten Weihnachtsessens zog durch den Raum. Der durch sein ehrenamtliches Engagement bekannte Flörsheimer Kurt-Jochem Graulich mischte sich an den Tischen unter die Gäste. „Wir sitzen am VIP-Tisch“, sagte einer seiner Tischnachbarn lachend.
„Ich freue mich darüber, dass an Weihnachten gespendet wird. Das zeigt doch, dass man an die Menschen denkt“, sagt einer der Wohnungslosen. An den weihnachtlich geschmückten Tischen sitzen die Gäste in gemütlicher, wenn auch beengter Atmosphäre beisammen, essen Plätzchen und Nüsse und tauschen sich aus.
Ein Mann, der ursprünglich aus dem süddeutschen Raum stammt, wurde obdachlos, nachdem er seine Familie verloren hatte. Er hat das Glück, dass er oft bei Bekannten unterkommen kann und daher an Weihnachten nicht auf der Straße schlafen muss.
Ein 51-jähriger Mann war schon vergangenes Jahr beim Weihnachtsessen und kennt viele der Anwesenden. „Wenn man unterwegs ist, lernt man sich kennen“, sagt er. Menschen ohne festen Wohnsitz sind ständig in der Region unterwegs, denn ihr Tagesgeld von 13 Euro dürfen sie nicht an mehr als zwei Tagen hintereinander an derselben Stelle abholen. So pendeln sie zu den unterschiedlichsten Orten, teils zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Bahn. Die Männer erzählen, dass man oft schwarzfährt, da man nicht das gesamte Tagesgeld in Fahrtkosten investieren möchte. „Seit Jahren setzten wir uns dafür ein, dass Wohnungslose von einem Ein-Euro-Ticket profitieren können, um sie zu entschulden und zu entkriminalisieren", sagt Klaus Störch, Leiter der Facheinrichtung. Das Haus am Autoberg ist eine Anlaufstelle für etwa 300 Wohnungslose aus der Region, die in der Tagesstätte baden oder duschen können, Wäsche waschen oder auch an Freizeitangeboten teilnehmen. Bis zu siebenmal im Monat dürfen sie dort übernachten und werden bei der Beschaffung von dauerhaftem Wohnraum beraten. Während die Stadt Flörsheim direkt für Notunterkünfte sorgt und viele Menschen von der Straße wegholt, sei dies in anderen Kommunen weniger straff organisiert. „Für das Jahr 2018 wird die Zahl der Wohnungslosen auf 1,2 Millionen geschätzt", sagt Störch. Die Bundesregierung sei weitgehend „ahnungslos“ über das wirkliche Ausmaß des Problems.
Eine 54-jährige Frau hat nun mithilfe der Caritas eine Wohnung gefunden. „Als ich in Schwierigkeiten geriet, dachte ich, ich kann alles alleine schaffen“, sagt sie. „Aber wenn man einmal unten ist, bleibt man unten." Oftmals ist man dann auf die Hilfe Anderer dringend angewiesen. Von der ökumenischen Kleiderkammer aus Flörsheim bekommen die Wohnungslosen an diesem Nachmittag Geschenkpäckchen, mit praktischen Dingen wie Handschuhen, Schals oder Duschgel. Besinnlich wird es bei den Worten von Pastoralreferent Schneider, im Anschluss singt man zusammen Weihnachtslieder. Einen besonderen Dank sprechen Störch und Geschäftsführer Gunnemann an alle ehrenamtlichen Helfer und Spender aus, die mit ihrem Einsatz die Welt ein Stück „gerechter und lebenswerter“ machten.