Die umstrittenen Baumpflegemaßnahmen von vor 15 Jahren (oben rechts) prägen den Zustand der Bäume noch heute. Pierre Dieudegaard (links) schwebt mit dem Hubsteiger zwischen die Platanenäste. Michael Müller zeigt die nur schwach mit dem Hauptstamm verwachsenen neuen labilen Äste, die an den Schnittkanten von vor 15 Jahren gewachsen sind (unten rechts). Diese sogenannten Schosse sollen nun auf die Hälfte zurückgeschnitten werden. Fotos: Jens Etzelsberger/Archivfoto: Alexandra Groth
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BAD WEILBACH - Michael Müller kann den Kollegen, die vor 15 Jahren den radikalen Rückschnitt an den Platanen in der Alleestraße durchgeführt haben, kein gutes Zeugnis ausstellen. Was damals in der Bevölkerung für Entsetzen gesorgt und Befürchtungen befördert hatte, damit könnte das Ende des Naturdenkmals besiegelt sein, erweist sich jetzt offenbar als das, was viele schon damals vermuteten: als großer Fehler. „Der Schnitt damals war so vitalitätsschwächend, dass Tür und Tor für Fäulnis und Pilze geöffnet wurden“, sagt Müller, seines Zeichens Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung, und derzeit ebenfalls mit dem Rückschnitt der bis zu 140 Jahre alten Bäume beschäftigt.
Er und seine Kollegen gehen aber viel behutsamer ans Werk, als das vor 15 Jahren der Fall war. „Die Kunst ist es, den Habitus zu erhalten, also möglichst viel Masse wegzunehmen und dabei dem Baum die kleinstmöglichen Wunden zuzufügen“, erläutert Müller den Umstand, dass auch die bereits geschnittenen Bäume nicht radikal gestutzt erscheinen, sondern noch immer als Bäume und nicht als Stümpfe erkennbar sind.
Welche Folgen der Schnitt vor 15 Jahren hatte, erläutert Müller an einem abgeschnittenen Ast. Der zeigt den Schnitt von damals, über dessen Ränder sich wulstige Rinde gelegt hat. Seitlich davon sind neue, dünne Zweige in die Höhe gewachsen, mit denen der Baum schnell die mit dem Schnitt verloren gegangene Blattmasse wiederherstellen wollte. Bis zu acht solcher Schosse genannten Äste wachsen kronenförmig seitlich an den Schnittkanten der gekappten Äste und sind für den verbuschten Eindruck des Baumes verantwortlich.
Die umstrittenen Baumpflegemaßnahmen von vor 15 Jahren (oben rechts) prägen den Zustand der Bäume noch heute. Pierre Dieudegaard (links) schwebt mit dem Hubsteiger zwischen die Platanenäste. Michael Müller zeigt die nur schwach mit dem Hauptstamm verwachsenen neuen labilen Äste, die an den Schnittkanten von vor 15 Jahren gewachsen sind (unten rechts). Diese sogenannten Schosse sollen nun auf die Hälfte zurückgeschnitten werden. Fotos: Jens Etzelsberger/Archivfoto: Alexandra Groth Foto:
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Das sei kein Wunder, die Platane sei ein reaktionsfreudiger Baum, der in dieser Art auf solch radikale Schnitte reagiere. Ein solcher Wuchs ist aber nicht natürlich und die Anbindung der aus der Not gebildeten Äste an den Hauptast sei nur unzureichend, erläutert Müller. Deshalb sei einer der Schwerpunkte bei den aktuellen Schnittmaßnahmen, diese Schosse um etwa die Hälfte zu verringern, um die Windangriffsfläche und damit die Gefahr von Windbruch zu reduzieren.
Zu den insgesamt rund 160 000 Euro teuren Maßnahmen gehört aber nicht nur der Rückschnitt der Bäume um fünf bis sieben Meter, sondern auch die Bodenverbesserung. Dazu wurde ein Granulat zur Bodenauflockerung über 30 bis 60 Zentimeter tiefe Löcher mit Druckluft in den Boden geblasen, erläutert Michael Müller.
Pilze im Boden liefern Nährsalze
Mit dem Granulat wurden auch Mykorrhiza-Pilze in den Boden gebracht, die mit dem Feinwurzelsystem des Baumes eine Symbiose eingehen. Die Pilze liefern dabei Nährsalze und Wasser, die Pflanze liefert den Pilzen einen Teil der durch die Fotosynthese erzeugten Glucose.
Für die Schnittarbeiten im Geäst wurde die Alleestraße aus Sicherheitsgründen voll gesperrt. Ein Teil der dabei anfallenden Äste wurde in einem Anhänger gehäckselt, ein anderer Teil auf dem angrenzenden Feld zerkleinert. An schlechtes Wetter sind die Baumpfleger gewohnt, doch in der Platanenallee kamen noch schwierige Windverhältnisse dazu. „Der Wind zieht hier durch, das macht es kompliziert“, so Müller. Die abgeschnittenen Äste einfach fallen zu lassen und sicher zu sein, dass sie lotrecht zu Boden sausen, verbiete sich hier angesichts der Umstände, sagte Müller.
Mit dem aktuellen Schnitt sei das Naturdenkmal in Gänze aber nicht langfristig gesichert. Angesichts des Zustandes der Bäume schätzt Michael Müller die Zahl der Platanen, die innerhalb der nächsten 20 Jahre gefällt werden müssen, auf mindestens 30 Stück. Auch eine Folge des Radikalschnitts vor 15 Jahren.