Mit Wink-Elementen und Kreisch-Alarm – Premiere von „Baron Münchhausen“ im Künstlerhaus 43

Wolfgang Vielsack als Baron Münchhausen und Rebecca Glockner als seine Wahlhelferin Katharina Kleine. Foto: wita/Paul Müller Foto: wita/Paul Müller
WIESBADEN - Unstrittig, dass in der Politik mitunter gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Biegen sich die Balken einer (wenn auch kleinen) Theaterbühne, dann ist aller Wahrscheinlichkeit nach Baron Münchhausen am Werk. Als Spitzenkandidat seiner der Wahrheit verpflichteten Partei ist er auf Stimmenfang, verspricht „Nichts als die Wahrheit“ – und lügt im Wahllokal Künstlerhaus 43 natürlich doch nur das Blaue vom Himmel herunter. Wolfgang Vielsack gibt den Baron bei der Uraufführung des „Baron Münchhausen“ mit ausgesprochener Spielfreude. Seine Augen funkeln im Wettstreit mit dem leuchtend blauen Anzug, wenn er von seinen (angeblichen erlebten) hanebüchenen Abenteuern erzählt und nach Herzenslust schwadroniert. Über alles und nichts, über all das, was ihm Uta Kindermann (Text und Inszenierung) so in den Mund geschrieben hat.
Kreisch-Alarm
Hinreißend seine von Rebecca Glockner verkörperte Wahlhelferin Katharina Kleine. In bester amerikanischer Wahlkampfmanier stimmt sie das Theaterpublikum auf das Eintreffen des Hoffnungsträgers der „Sag die Wahrheit“-Partei (sdw) mit „Wink-Elementen“, Applaus-Kommandos und Kreisch-Alarm ein. Und nicht weniger hinreißend gibt Glockner die junge Geliebte, die herzzerreißend schluchzen kann, wenn er, der Hieronymus, sich entgegen aller Versprechen doch nicht von Ehefrau Hedwig trennt. Stattdessen mit ihr über die Verteilung von Teppichen streitet und sich darüber beschwert, dass sie doch tatsächlich seine legendäre Kanonenkugel bei Ebay zur Versteigerung angeboten hat.
Unstrittig, dass das Stück die Gäste im ausverkauften Künstlerhaus 43 mit etlichen schrägen Einfällen gut unterhielt. Unstrittig allerdings auch, dass sie sich etwas mehr Nähe zur Kommunalpolitik versprochen oder zumindest vorgestellt hatten. Man benötige Zeit, um sich auf die teilweise doch sehr um Poesie bemühten Schilderungen des Barons einzulassen, war mehrfach zu hören. Und das passte irgendwie nicht zu den gewollt schriftlich formulierten Wünschen des Publikums an die Politik – etwa nach mehr Parkplätzen...
Weg vom Schleudertrauma
„Sie haben sich wieder irgendwo verloren, Herr Baron“, musste Wahlhelferin Katharina den Kandidaten, der unter anderem beklagte, dass „die Lüge am Kadaver der Wahrheit frisst“, auf den Boden der (vermeintlichen) Realität im Wahllokal zurückholen. Weg von Jagdhunden und fliegendem Speck, weg von der Reminiszenz an den Kanonenkugelflug gegen die Berliner Mauer und das dabei erlittene Schleudertrauma, weg von der Erinnerung an Katharina die Große und an Duelle mit Puschkin und Casanova...
Drei weitere Vorstellungen der Lügenkomödie stehen auf dem Spielplan des Künstlerhauses 43 und damit drei weitere Reisen auf den Mond, der von Käsegerüchen, Käseduellen und Käsekriegen handelt, und den „Kopf der Mondfrau“ (Susanne Müller) auf den Plan rufen wird. Mit Politik oder der Kommunalwahl, die ja inzwischen ohnehin bereits Geschichte ist, hat all dies wie die Aufforderung, die „Liste 43“ zu wählen, rein gar nichts zu tun. Aber heitere Momente bleiben.