Es ist ein Vergnügen, mit Irene Haas durch das Kunsthaus Taunusstein zu flanieren. Dieses hat Haas mit ihrem Mann Ulrich van Gemmern für ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst...
TAUNUSSTEIN. Es ist ein Vergnügen, mit Irene Haas durch das Kunsthaus Taunusstein zu flanieren. Dieses hat Haas mit ihrem Mann Ulrich van Gemmern für ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst gebaut. Ab und an bietet das Sammlerpaar Führungen durch die aktuelle Ausstellung an. Diese trägt den Titel „An den Orten dazwischen“ und nimmt somit Bezug auf eine Arbeit von Hans-Hendrik Grimmling. Doch wenn man Irene Haas zuhört, verfliegt die Distanz zu vielen Werken. Man sammle, was gefalle, erzählt sie und macht ihren Besuchern Mut, sich auf die Kunstwerke einzulassen: „Das Schöne an moderner Kunst ist, dass jede Deutung denkbar ist.“
Zu den Lieblingskünstlern von Haas und van Gemmern gehört Jean Yves Klein, der in der Ausstellung mit einer achtteiligen Serie von Bronzeplastiken vertreten ist. Frech lugt der Pegasus vom Obergeschoss in die Eingangshalle, ein wenig verschmitzt, „ganz süß gemacht“, wie Haas ganz unverkrampft feststellt.
Nicht jeder Andy Warhol ist für das Schlafzimmer
Zwei Werke von Helmut Mittendorf haben es Irene Haas besonders angetan. „Home alone“ heißt eines und stellt ein Haus dar. Für die Kunstliebhaberin könnte es auch eine „Hundehütte“ sein.
Ganz besonders fasziniert sind viele Besucher von einem massiven Glaskeil des Künstlers Till Augustin. „Keil II“ besteht aus vielen Schichten Industrieglas, das mit Ultraschall verklebt und von Augustin anschließend mit einem Presslufthammer bearbeitet wurde. Herauskam ein Kunstobjekt, das seine Betrachter auf die Knie zwingt. Denn wer das tatsächlich wagt, der erlebt erstaunliche Durchblicke durch den Glasblock. Für Haas eine „total spannende Unterwasserwelt“. Um den Betrachtern den Kniefall zu erleichtern, liegt neben dem Glaskeil ein Schaumstoffkissen bereit. Ein charmanter Service des Hauses.
Im Obergeschoss gelangt die Führung schließlich zu den Siebdruck-Serien von Andy Warhol – eine Leihgabe der Berliner Galerie Michael Schultz. Die Serie „Flash“ thematisiert die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy, die Serie „Electric chair“ die in den USA praktizierte Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl – in sehr ungewöhnlichen Farben wie Neongelb, Pink, Türkis oder Orange. Kommentar von Haas: „Das will vielleicht nicht jeder in seinem Schlafzimmer hängen haben.“
Klein-Plastik sorgt für ein Lächeln
Dafür aber vielleicht Warhols berühmte Bilder von Marilyn Monroe oder Mao Tse-tung, zwei Ikonen seiner Kunst und das erste politische Motiv des amerikanischen Künstlers. Ebenfalls im Kunsthaus in Niederlibbach zu sehen.
Die Führung endet vor einem zehnteiligen Bilderzyklus des US-Amerikaners Keith Haring. „Richtig kompliziert wird es eigentlich erst jetzt“, warnt Haas fast ein wenig vor der verwirrenden Ausdruckskraft dieser Bilder, die Haring geschaffen hat, nachdem er erfuhr, dass er an Aids leidet. Er starb 1990 im Alter von 31 Jahren. Es sind Bilder voller Wut und Verzweiflung. Seine Ratlosigkeit drückt Haring in einem wilden Tohuwabohu von Farben und Symbolen aus. Das Aids-Virus hat schwarze Teufelshörner, der Mona Lisa sind die Augen verschlossen.
Haas fühlt sich an die Wucht des „Weltgerichts“ von Hieronymus Bosch erinnert. Doch wer sich umdreht, der steht wieder vor einer der verschmitzten Plastiken von Jean Yves Klein. Da stellt sich ganz automatisch wieder ein Lächeln ein.
Von Mathias Gubo