Gastwirt aus Orlen: Nach Schließung des Lokals keine Lust...

Gastwirt mit Leib und Seele: Domenico Paglione in der „Gut Stubb“ in Orlen. Foto: RMB/Wolfgang Kühner  Foto: RMB/Wolfgang Kühner

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein in der „Gut Stubb“. Auf der Theke stehen volle Weinflaschen, davor Tische, auf denen Stühle gestapelt sind. Einmal durchwischen,...

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ORLEN. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein in der „Gut Stubb“. Auf der Theke stehen volle Weinflaschen, davor Tische, auf denen Stühle gestapelt sind. Einmal durchwischen, und es könnte wieder losgehen im einzigen Gasthaus von Orlen. Doch diese Zeiten sind vorbei für Domenico Paglione, den alle nur Dominic nennen. Seit Ende August letzten Jahres ist sein Gasthaus zu – und wird es wohl auch bleiben. Heute feiert der Gastwirt aus Leidenschaft seinen 75. Geburtstag, es wird ein eher trauriger Tag.

Aus drei Wochen wurden 55 Jahre

Denn eigentlich hatte Dominic noch nicht aufhören wollen. Vielleicht etwas kürzer treten nach 17 Jahren „Gut Stubb“ in Orlen, aber einfach so zuzusperren, hatte er nicht vor. Wären da nicht die Vorschriften und der Hauseigentümer, die seiner Wirtskarriere ein abruptes Ende bereitet haben. Die Küche war in die Jahre gekommen, die Dunstabzugsanlage entsprach nicht mehr den Vorgaben der Behörden. Doch nach all den Jahren, in denen Paglione immer nur auf eigene Kosten Verbesserungen und Veränderungen vorgenommen hatte, wollte er nicht wieder eigenes Geld in das gepachtete Lokal buttern. Doch seine Hoffnung, der Hauseigentümer würde die Investitionen übernehmen, wurden enttäuscht. Der ließ alle Fristen verstreichen und die „Gut Stubb“ musste geschlossen werden. „Jetzt ist Feierabend“ sagt dazu Dominik, „ich habe die Lust verloren.“

Domenico Paglione stammt aus einer Bauernfamilie aus Pescara. Mit 19 Jahren kam er nach Mainz, um vor seinem Wehrdienst bei der italienischen Armee seinen Onkel zu besuchen. Doch aus den geplanten drei Wochen wurden 55 Jahre!

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Steaks und Schnitzel ganz besonders beliebt

Schon an seinem ersten Tag in Mainz hatte er eine Arbeitsstelle, 1973 eröffnete er sein erstes Lokal in Kostheim. Das hatte er bis 1988, dann ging er nach Rüdesheim und machte dort ein Lokal auf. Seit 2000 versorgte er in der „Gut Stubb“ in Orlen seine Gäste mit Pizza und Pasta, aber auch und besonders mit Steaks und Schnitzel.

Er habe immer sehr gute Köche aus Sardinien gehabt, sagt Dominic. Aber er nimmt auch für sich in Anspruch, ein guter Chef zu sein. „Man darf nicht mit dem Personal schimpfen“, so sein Leitwort. Daran habe er sich immer gehalten. Als Zeuge nennt er seinen letzten Koch Perseo Manias, der immer noch hoffe, dass die „Gut Stubb“ doch noch einmal aufmacht.

„Die Leute vermissen mich und die Gaststätte“, weiß Paglione. Das bestätigt Ortsvorsteher Dieter Jacobi. Einem Dorf ohne Kneipe fehle der alltägliche Treffpunkt, den Vereinen fehle der Sitzungssaal, den Menschen das Lokal, in das man abends spontan essen gehen oder in dem man Feste und Familienfeiern abhalten kann.

„Die Freude sind die Menschen“, sagt Domenico Paglione auf die Frage, was er an seinem Beruf liebt. Der Kontakt mit seinen Gästen sei ihm wichtig, „die Orlener haben mich sofort verstanden“. Und sie vermissen ihn auch.

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Doch Lust auf eine Geburtstagsfeier hat Paglione nicht. Bei ihm überwiegt das Gefühl „als hätte ich meine Frau verloren“, sagt er traurig. Inzwischen plagen ihn sogar Zweifel, ob es richtig war, in Deutschland zu bleiben. Von seiner Frau ist er geschieden, trotz der fünf gemeinsamen Kinder. Vielleicht hätte er doch zurück auf den Hof des Onkels gehen und den Betrieb übernehmen sollen, fragt er sich jetzt.

Doch Dominic ist und bleibt Gastwirt. Das wird schnell klar, wenn man auf die Speisekarte zu sprechen kommt. Dominik liebt Pasta – aber nicht mit der bei den Deutschen so beliebten Sahnesoße, fügt er ausdrücklich hinzu. Wie solch eine „Kalorienbombe“ schmecken kann, bleibt ihm auf ewig schleierhaft.

Von Mathias Gubo