Norbert Lorenz und Elmar Müller verbindet eine ganz besondere Leidenschaft: Sie sind Segelflieger. „Es ist einfach einmalig. Man kann es nicht beschreiben“, sind sie sich...
RÜDESHEIM. Norbert Lorenz und Elmar Müller verbindet eine ganz besondere Leidenschaft: Sie sind Segelflieger. „Es ist einfach einmalig. Man kann es nicht beschreiben“, sind sie sich einig. Hoch oben über dem Rhein, unweit des Niederwalddenkmals hat der Luftsportclub Rheingau (LSC) sein Domizil. Tief im Wald stehen das Vereinshaus und der große angebaute Hangar, in dem die Segelflugzeuge und ein Motorsegler untergebracht sind. Von dort aus geht es für die Mitglieder und Gastflieger noch höher nach oben: Die Eibinger Forstwiesen sind der Start für die Rundflüge über das Rheintal.
Lorenz ist der erste Vorsitzende, Müller sein Vize. Gemeinsam mit Gerhard Müller, der für die Website des Vereins zuständig ist, sitzen sie im Vereinsheim, das Fliegergeschichte förmlich atmet. Großformatige Luftbilder hängen an den Wänden, riesige Karten mit für Laien unverständlichen Bezeichnungen vermitteln das Ambiente eines etwas altertümlichen Towers.
„Ich fliege seit 1971 und habe hier das Fliegen gelernt“, sagt der 66-jährige Lorenz. „Seit vergangenem Jahr sind wir eine richtige Flugschule geworden.“ Mit Ausbildungsleiter Jochen Jakoby hat der LSC einen offiziellen Fluglehrer, zudem drei weitere ehrenamtliche Fluglehrer, die die Mitglieder ausbilden. „Bei uns fängt man mit Segelfliegen an. Dafür brauchen die Flugschüler etwa anderthalb bis zwei Jahre. Das liegt auch daran, dass wir im Winter nicht fliegen können“, schildert Lorenz das übliche Prozedere. Die Flugsaison der Rüdesheimer beginnt an Ostern und endet im Oktober – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Die Ausbildung wird überwiegend am Wochenende absolviert.
Wer das Segelfliegen erlernen möchte, muss etwa 2500 Euro investieren, bis er die Lizenz in den Händen hält. „Die Prüfung wird beim Regierungspräsidium in Darmstadt abgenommen und anschließend muss der Flugschüler einen 50 Kilometer langen Flug absolvieren“, erklärt Müller, und Lorenz ergänzt: „Wir fliegen dann oft nach Idar-Oberstein, weil der Flugschüler dort auf einem Flugplatz landen kann.“
Rund 160 Mitglieder hat der LSC derzeit. Wie so viele andere Vereine auch wird er von Nachwuchssorgen geplagt. „Bis vor zwei Jahren hatten wir eine größere Jugendgruppe, aber wenn die jungen Leute nach dem Abitur zum Studieren wegziehen oder eine Ausbildung machen, dann geben sie leider auch oft ihr Hobby auf“, bedauert Müller. Ab dem Alter von 14 Jahren kann man beim LSC in den Himmel aufsteigen.
Vier Flugzeuge haben die Rheingauer Segelflieger zur Verfügung. In Anbetracht der Tatsache, dass ein neuer Flieger zwischen 50 000 und 100 000 Euro kostet, ist das nicht wenig. Die Segelflieger werden mit einer Winde gestartet. „Je nach Wind werden sie bei einer Höhe von 300 bis 500 Metern ausgeklinkt“, erzählt Lorenz und kommt ins Schwärmen: „Im Frühjahr haben sie Aufwinde mit manchmal bis zu vier Metern in der Sekunde. Vier bis fünf Kreise, dann ist man oben.“
Wie ist der Blick über das Rheintal? Wie das Gefühl beim Fliegen? „Es ist berauschend, dass Sie gar nichts mehr hören. Sie gleiten lautlos durch die Luft, das muss man erlebt haben“, sagt Vize-Vorsitzender Müller. „Man fühlt sich einfach frei und kann zu 200 Prozent abschalten.“
Um das erleben zu können, ist eine Menge Arbeit nötig. Die Mitglieder müssen jährlich eine gewisse Zahl an Arbeitsstunden leisten, und für einen Start werden bis zu fünf Personen benötigt. Es gibt einen Flugleiter, der die Starts und Landungen koordiniert. Ein Mitglied sitzt an der Winde, mit der die Segelflieger in die Höhe gezogen werden, weitere Mitglieder halten den Segelflieger beim Start gerade, damit er besser abheben kann. Und dann gibt es auch noch einen Piloten im Cockpit. Einer muss schließlich fliegen.
Bisher keine größeren Unglücksfälle
Natürlich haben auch die Rüdesheimer ihre Vereins-Anekdoten. Ein Segelflieger hing in etwa zehn Meter Höhe mit seinem Flugzeug in den Baumkronen. Für die anderen war es ein unmögliches Unterfangen, den Mann – der unverletzt war – zu Boden zu bekommen. „Nachher kam die Feuerwehr und hat ihn vom Baum geholt“, erinnert er sich lachend. Das Vereinsmitglied trug fortan den bezeichnenden Namen „Tarzan“. Er nahm es mit Humor und ist bald wieder aufgestiegen.