Die Rüdesheimerin Cäcilia Neise lässt im Kampf um die Haltestelle an der Kirche nicht locker. Für Bürgermeister Volker Mosler ist das „Thema final diskutiert“.
RÜDESHEIM. „Rüdesheim ist“, das schrieb Cäcilia Neise der Stadt schon vor Jahren, „die behindertenfeindlichste Stadt, die ich kenne.“ Die 85-Jährige, selbst schwer gehbehindert, macht immer wieder auf Missstände aufmerksam. Nicht nur, um sich selbst zu helfen, wie sie stets betont, sondern auch für die vielen anderen, die sich zu Fuß – womöglich noch wie sie mit dem Rollator oder dem Rollstuhl – auf Rüdesheims Straßen bewegen und immer wieder auf Hindernisse stoßen. Kaum eine Ortsbeiratssitzung, bei der die Rüdesheimerin in der Fragestunde nicht das Wort ergreift. Die resolute Seniorin ist überall bekannt, nicht nur im Rüdesheimer Rathaus, sondern auch bei der Verkehrsbehörde Hessen Mobil, die wiederholt Verkehrsschilder mitten auf dem Bürgersteig platziert, und beim Rheingau-Taunus-Kreis, wo sie sich regelmäßig über die Rüdesheimer Untätigkeit beschwert.
Einige Erfolge kann sie für sich verbuchen. Schilder wurden verstellt. Jüngst beschloss die Stadtverordnetenversammlung, Geld für eine Rampe am Bahnhof und Bänke an den Bushaltestellen bereitzustellen. Cäcilia Neises Anliegen hatte die WIR in Anträgen zum Haushalt aufgegriffen. Doch ob die Rampe kommt, da macht Bürgermeister Volker Mosler (CDU) noch ein dickes Fragezeichen. „Der Bahnhof gehört uns nicht“, erklärt er. Ein behindertengerechter Eingang sei schon heute durch ein rückwärtiges Tor vorhanden, dass von Mitarbeitern der Bahn bei Bedarf geöffnet werde. Auch technisch werde die geforderte Rampe mit Geländer für Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte mit Rollator oder Eltern mit Kinderwagen eine Herausforderung. Gemäß des Beschlusses der Stadtverordneten werde nun aber mit allen Beteiligten gesprochen.
„Final diskutiert“ ist für Mosler dagegen das Thema Bushaltestelle in Höhe der Eibinger Kirche. Seit einer Änderung der Fahrtroute hält der Bus nur noch in Fahrtrichtung Lorch an dieser Stelle. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt es keine Bushaltestelle. Ein Problem vor allem für ältere Menschen, die nach einem Besuch von Kirche oder Friedhof entweder über 200 Meter bis zur Haltestelle am Krankenhaus oder mehr als 300 Meter bis zur Haltestelle Winzerweg laufen müssen. Für Gehbehinderte sei das eine Zumutung, so Cäcilia Neise, die auch dieses Thema aufbrachte und nun nicht locker lassen will. Die Stadtverordneten wisse sie mehrheitlich hinter sich. Tätig werden müsse allerdings der Bürgermeister und der wolle nicht.
Das von den Stadtverordneten gewünschte Schreiben an die Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft (RTV) mit der Bitte, eine zusätzliche Haltestelle einzurichten, ließ Mosler im vergangenen Jahr den ersten Stadtrat Dieter Steinbauer (GfR) unterschreiben. Doch die RTV braucht dazu eine Anordnung des Bürgermeisters, die er nicht geben will. Er begründet dies mit der Enge im Ort. Wenn der Bus halte, könne ihn kein Auto überholen – keineswegs nur ein Rüdesheimer Phänomen. Der Verkehr staue sich dann bis zur Einmündung Ludwig-Schneider-Straße. Und das alles in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus. „Wir produzieren ein komplettes Chaos“, so Mosler.
So oft muss der Bus nicht halten
So dramatisch sehen es die Stadtverordneten nicht, zumal der Bus dort nur halte, wenn einer ein- oder aussteigen wolle. So oft, so ihre Prognose, werde das nicht vorkommen. Auch beim Rheingau-Taunus-Kreis, bei dem sich Neise auf Anraten von Walter Planz, Vorsitzender des Arbeitskreises Kommunaler Behindertenbeauftragter (AKoBea), beschwerte, hat vollstes Verständnis für Cäcilia Neise, wie Kreissprecher Christopher Zehler versicherte. „Wir könnten die Haltestelle sofort aufstellen, wenn Herr Mosler das O.K. gibt.“ Der behauptet allerdings, dass RTV-Geschäftsführer Roland Buitkamp seine Bedenken gegen den Standort teile.
Der Behindertenbeauftragte Planz, der nicht nachvollziehen kann, wie man sich so gegen eine Bushaltestelle stemmen kann, hat Neise nun geraten, den Petitionsausschuss des Hessischen Landtags einzuschalten.