Weil man es nicht kaufen kann

Katrin Berheide und ihre Mitstreiterinnen stellen Kleidung für Frühchen her. Foto: DigiAtel/Heibel

Die Rheingauerin Katrin Berheide und 20 Mitstreiterinnen nähen und stricken Kleidung für Frühchen. Dabei kommt es nicht nur auf das Aussehen an.

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WINKEL. Blickt man von einiger Entfernung auf die Wäschespinne im Garten von Katrin Berheide, würde man meinen, dort hänge gewöhnliche Babykleidung. Erst wenn man näher tritt bemerkt man, wie klein die bunten und fröhlich aussehenden Bodys und Höschen tatsächlich sind. Bei den gerade einmal fünf Zentimeter langen Söckchen staunt selbst Berheide immer wieder. „Beim Stricken würde ich mir, glaube ich, die Finger brechen“, sagt sie lachend, „deshalb habe ich riesigen Respekt vor den Frauen, die sie gestrickt haben.“ Was auf den ersten Blick süß aussieht, verbirgt allerdings ein ernstes Thema: So kommen jährlich in Deutschland 50 000 Kinder zu früh zur Welt und müssen im Krankenhaus behandelt werden. Kleidung in passender Größe und angepasst an die Bedürfnisse der Frühchen, gibt es schlichtweg nicht.

Was die großen Marken und Hersteller nicht machen, übernehmen deshalb aktuell 21 Frauen in ganz Deutschland. Seit drei Jahren als Gruppe, nun als gemeinnütziger Verein, nähen, stricken und häkeln sie all das, was für Frühchen und Sternenkinder in Krankenhäusern benötigt wird. Im Garten von Mitgründerin Katrin Berheide hat sich aktuell wieder eine ganze Wäschespinne voll an kleinen Mützchen, Socken, Bodys und Höschen ab Größe 32 gesammelt, die sich bald auf die Reise machen. So beliefert der Verein aktuell sechs Krankenhäuser regelmäßig mit teilweise mehreren Hundert Teilen und arbeitet dabei eng mit dem Fachpersonal zusammen.

„Wir fragen in allen Krankenhäusern genau nach, wie viel sie brauchen und welche Anforderungen die Kleidungsstücke, zum Beispiel für Kabelausgänge, erfüllen müssen“, erklärt Berheide. Sicherheit und Qualität würden dabei an allererster Stelle stehen. „Wir prüfen jede einzelne Naht nach dem Vier-Augen-Prinzip, weil auch schon kleine Fäden zu Hautverletzungen führen können“ Viele der Vereinsmitglieder wüssten das aus eigener Erfahrung und hätten selbst eine Frühgeburt miterlebt. Auch ihre heute 14-jährigen Zwillinge, erzählt Berheide, seien drei Wochen zu früh zur Welt gekommen und hätten sie so überhaupt erst auf das Problem in den Krankenhäusern aufmerksam gemacht: „Damals ist mir aufgefallen, wie trist und kaputt die Anziehsachen für die Frühchen sind und von den Krankenschwestern erfahren, dass es eben einfach keine Kleidung in solchen Größen zu kaufen gibt.“

Nachdem die dreifache Mutter zuerst aus ein paar Stoffresten für ihre eigenen Kinder zu nähen begonnen hatte, wurde sie auf eine Gruppe von Gleichgesinnten auf Facebook aufmerksam. Mittlerweile arbeiten die 21 Frauen im neu gegründeten Verein quasi Tag und Nacht mit viel Herzblut dafür, anderen Familien zu helfen. „Es kommt öfter mal vor, dass ich bis zwei Uhr nachts an der Nähmaschine sitze“, gibt Berheide zu. Da sie sich alle ehrenamtlich einsetzten, freue sich der Verein über alle Spenden in Form von Stoffen, Knöpfen oder Bündchen. Momentan müsse sie, so Berheide, noch rund 100 Euro pro Monat drauflegen, um alles nähen zu können. Für die Zukunft hat der Verein trotzdem ein klares Ziel: „Wir wollen noch mehr Krankenhäuser beliefern können.“ Wer den Verein dabei aktiv oder durch Spenden unterstützen möchte, kann sich unter www.miniherzchen.de informieren und Kontakt aufnehmen.