Jury und Publikum erleben 14 hochklassige Leistungen beim Rheingau-Taunus-Kreisentscheid des Vorlesewettbewerbs in Niedernhausen.
NIEDERNHAUSEN. Die Mitglieder der Jury beim Kreisentscheid des Vorlesewettbewerbs des Deutschen Buchhandels sind nicht zu beneiden. Denn die Leistungen der 14 Schulsieger, die sich im Ratssaal des Rathauses Niedernhausen präsentieren, sind durch die Bank hochklassig. Am Ende ragt nach Meinung von Sabine Stemmler, der Kulturbeauftragten des Rheingau-Taunus-Kreises, Autorin Susanne Kronenberg, Madeleine Fay von der Gemeindebücherei, Buchhändler Pascal Bravin sowie Autor Udo Luh ein Teilnehmer jedoch so sehr hervor, dass es in diesem Jahr nicht einmal ein Stechen gibt.
Gute-Nacht-Geschichten für den Bruder
Fest steht, dass der zwölfjährige Maximilian allein durch seine Vortragsweise hervorragt, denn er liest einerseits im Stehen aus dem Astrid-Lindgren-Roman „Die Brüder Löwenherz“. Andererseits hat er den Inhalt der Passage so verinnerlicht, dass er problemlos zwischendurch Blickkontakt mit dem Publikum suchen kann. „Ich bin freier und offener, wenn ich im Stehen lese“, erläutert der Schüler des Gymnasiums Eltville. Übung habe er, weil er zu Hause seinem kleineren Bruder oft vor dem Einschlafen etwas vorlese. Auffallend ist, dass viele der Teilnehmenden in diesem Jahr ganz unaufgeregt zu Werke gehen, die meisten sogar schon vor den drei Minuten fertig sind, die ihnen zur Verfügung stehen und vor allem Dialoge sehr ausdrucksstark vortragen.
In diesem Jahr haben sich sehr viele der Sechstklässler für humorvolle Literatur entschieden und beweisen großes Talent darin, den darin vermittelten Witz zur Geltung zu bringen. Im Bereich der Textauswahl, die genauso wie die Lesetechnik und die Interpretation zu den zu bewertenden Kriterien gehören sollen, fällt der Teilnehmer der Nikolaus-August-Otto-Schule aus dem Rahmen. Er hat den Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ausgewählt, in dem John Boyne die Freundschaft zweier Jungs entlang des Zauns eines Konzentrationslagers erzählt. Spannungsvoll trägt er eine Passage daraus vor, in der die Freunde feststellen, dass für ihre beiden Väter das Tragen einer Armbinde entscheidende Bedeutung hat. „Ich lese meistens Abenteuer- und Detektivbücher, aber ich wusste nicht, welches ich wählen soll. Meine ältere Schwester hat es mir dann empfohlen“, berichtet der elfjährige Peter. Nachdem ihm sowohl die Lektüre als auch die Verfilmung überzeugt haben, habe er sich dafür entschieden, damit im Wettbewerb anzutreten.
Während er zu den Teilnehmenden gehört, die mit großer Gelassenheit vortragen, sticht die Vertreterin der Geisenheimer Rheingauschule mit einem ausgesprochen lebhaften Beitrag hervor, bei dem sie etwa ironische Kommentare sehr überzeugend interpretiert. Es überrascht denn auch wenig, dass sie in der Schule auch Theater spielt. „Ich lese viel. Meine Bücher nehme ich mit in die Schule und lese in der Bücherei, wenn Zeit ist“, erläutert die elfjährige Sonja. Bereits in ihrer Grundschule habe sie einen Lesewettbewerb gewonnen. Diesmal ist für sie auf Kreisebene Schluss, denn nur Maximilian qualifiziert sich für die Teilnahme am Bezirksentscheid, der bis Ende April stattfindet.