Selbstsuche mit Frédéric Chopin

Die Liebe zur Musik und ein neues Konzept haben sie zusammengeführt: Andrea Preusche-Glebocki, Elina Akselrud und Eugene Lifschitz (von links). Foto: Thorsten Stötzer

Andrea Preusche-Glebocki nimmt im Stein‘schen Hof in Lorch eine Woche lang „Artists in Residence“ auf. Die jungen Musiker bekommen Kost und Logis für ein Konzert.

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LORCH. Im Stein’schen Hof in Lorch wird derzeit bei Tag und bei Nacht mit dem Cello und am Klavier geübt, ohne dass sich jemand daran stört. Im Gegenteil: „Es ist einfach ein Traum, dass Musik im Haus ist“, sagt Andrea Preusche-Glebocki, die unter dem Titel „Artists in Residence“ ein privates und nicht kommerzielles Engagement begonnen hat, um junge Künstler zu unterstützen.

Eine knappe Woche lang logieren Musiker jeweils bei ihr und geben als Gegengeschenk ein Konzert in nicht öffentlichem Rahmen. Auf die Idee hat Preusche-Glebocki ein befreundeter Schlagzeuger gebracht, der das Konzept aus Paris kennt. In Lorch machen Elina Akselrud und Eugene Lifschitz den Anfang. Für ihr Konzert hätten sich 90 Gäste angemeldet, 16 Namen stünden auf der Warteliste, so die Hausherrin.

Damit knüpft Preusche-Glebocki an die Hauskonzerte an, die sie zwischen 2003 und 2016 mit ihrem Mann Hans Glebocki organisiert hat und nach seinem Tod einstellen musste. Die guten Erinnerungen an diese Veranstaltungsreihe begründen sicherlich das hohe Interesse am neuen Format. „Das Haus ist groß und schreit nach Musik“, meint die Besitzerin, die auf diese Weise „mein Glück teilen und genießen möchte“.

Das Prinzip hinter „Artists in Residence“ soll für die Musiker eine „Auszeit vom Alltag“ ermöglichen. Akselrud und Lifschitz nutzen sie zur Arbeit an ihrem ersten gemeinsamen Projekt „NostalG“, das sich mit Heimat und Wurzeln befasst. „Das hat sehr viel mit Selbstsuche zu tun“, erklärt die Pianistin, „ich glaube, das ist sehr aktuell“. Sie spielen Sonaten von Frédéric Chopin (1810 bis 1849) und Sergei Rachmaninoff (1873 bis 1943) – zwei Komponisten, die selbst emigrieren mussten.

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Das Thema selbst ist mit den Biografien der beiden Residenzler und von Stanislav Fridman verbunden, von dem sie eine Auftragskomposition vorstellen. Alle drei stammen aus der Ukraine oder Russland und haben diese Länder als Kinder oder Jugendliche verlassen. Ihre Familien leben heute hauptsächlich in den USA, Akselrud ist in der Schweiz zuhause und Lifschitz in Kassel ansässig.

Der Stein’sche Hof wird nun zur neuen Heimat auf Zeit. „Es ist eine Ehre, dass wir die ersten hier sind“, beteuert Akselrud und spricht von einer inspirierenden Atmosphäre. Lifschitz schätzt das konzentrierte Arbeiten: „Man muss sich nicht um die täglichen Kleinigkeiten kümmern“ – sei es die Post oder die Küche. Etwas Erfahrung hat Preusche-Glebocki in dieser Hinsicht bereits dank eines „Probelaufs“ an Pfingsten des vorigen Jahres mit der A-Cappella-Gruppe „Ensemble Bonamis“.

Inspirierende Atmosphäre im Stein‘schen Hof

Ende Februar und Anfang März werden sechs junge Leute vom „Broken Frames Syndicate“ zu „Artists in Residence“. Werben will Preusche-Glebocki aber nicht für ihr Angebot. Kontakte ergeben sich durch Zufall, Freundschaften und ihrem Frankfurter Projekt „Kultur unterm Dach“. Jedenfalls will sie junge Musiker ansprechen – Akselrud und Lifschitz sind 29 und 30 Jahre alt.

Persönliches Kennenlernen und voneinander erzählen gehört natürlich auch dazu, altes Jugendherbergsflair ist dabei inbegriffen.

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Von Thosten Stötzer