Von den Kindern in Espenschied wird ein alter Brauch zu Ostern gepflegt: das Kleppern.
ESPENSCHIED. Die Sonne hat sich inzwischen durchgesetzt, aber das Dorf schläft, nicht mal eine Katze lässt sich blicken. Doch dann erschallt ein Geräusch, das entsteht, wenn Holzzapfen an einer Walze rotieren und gegen dünnere Bretter schlagen. Dazu schwingen Kinder ihre teils selbst gebastelten Holzklappern, andere halten Rumba-Rasseln in den Händen beim Gang durch Espenschied.
Allerdings lärmen sie nicht nur früh um 7 Uhr. „Das ist das Ave Maria“, verkündet der Nachwuchs an den Straßenecken. Was für Neubürger zunächst erklärungsbedürftig ist, gehört für Alteingesessene zu ihrer geschätzten Lebenswelt. „Manche schlafen bei gekippten Fenstern, damit sie das nicht verpassen“, berichtet Oliver Lübeck. Verbunden ist das katholische Brauchtum mit Karfreitag und Ostern.
Jeweils drei Einsätze am Karfreitag und -samstag
Ab Gründonnerstag sollen die Kirchenglocken schweigen bis Ostersonntag. Deshalb wurden einst in dieser Zeit die Glockenseile zusammengebunden. Das ist heute wegen elektrischer Steuerung nicht mehr erforderlich, und überhaupt wird in der Espenschieder Kirche mittlerweile bloß selten noch ein Gottesdienst gefeiert. Rund um die jetzigen Feiertage müssen die Gläubigen etwa nach Nastätten fahren.
Die Tradition, das Glockengeläut durch das „Kleppern“ zu ersetzen, bewahren die Espenschieder dennoch. „Auf jeden Fall reicht das bis ins 19. Jahrhundert zurück“, erklärt Oliver Lübeck, vermutlich habe ein neuer Pfarrer den Brauch mitgebracht. Der ist in manchen katholischen Gegenden bekannt, im Rheingau aber wenig verbreitet. Lediglich in Presberg soll er auch gepflegt worden sein. „Den Kindern wurde gesagt: ‚Die Glocken sind nach Rom geflogen zur Segnung oder zum Dickmilch trinken‘“, schreibt der Ortschronist Engelbert Befard.
Die Mädchen und Jungen, die heute kleppern, wissen es natürlich besser. Am Karfreitag und am Karsamstag sind sie jeweils um 7, um 12 und um 18 Uhr unterwegs. Ein gutes Dutzend Kinder im Alter von fünf bis 15 Jahren ist dabei und wechselt sich teils ab.
„Vor ein paar Jahren standen wir nur noch mit zwei Kindern da“, sagt Oliver Lübeck, der mit Tanja Plies und Peter Klee die Gruppe betreut. Übrigens sind auch mal Interessierte aus anderen Dörfern dabei, nicht jeder ist katholisch, wenige leisten Ministranten-Dienst. Gemeinsam suchen sie sich meist ohne Erwachsene ihren Weg bis zu den Aussiedlerhöfen und unternehmen ebenso an Halloween, am Martinstag, am Nikolaustag und als Sternsinger etwas gemeinsam im 300 Einwohner großen Espenschied.
„Ich glaube, ich war in der 1. Klasse“, sagt Nele über ihre Anfänge und betont trotz früher Stunde: „Es macht Spaß.“ Üppig beschenkt wie Sternsinger werden die Kinder nun nicht, höchstens gibt es mal ein Duplo, ein Maoam, Saft oder Streicheleinheiten für den ortsbekannten Hund Barney – und Erinnerungen der Älteren. Die drehen sich etwa um den Klepper-Karren, den der Schreiner Johannes Korn im 19. Jahrhundert gebaut hat. Dereinst verhinderten die Buben, dass ihn auch Mädchen schoben. „Macht weiter so“, ist ebenfalls zu hören, ehe die historische Lärmquelle weiterrasselt.