Unter welchen Umständen starb in der Nacht zum 24. Oktober 1997 eine junge Frau in der Badewanne? Ihr Mann war Polizist. Jetzt ist er angeklagt. Wegen Mordes.
WIESBADEN/LORCH. Es soll für den Studienjahrgang eine sehr interessante Unterrichtseinheit gewesen sein, damals im ersten Halbjahr 1993 an der Hessischen Polizeischule. Kriminalistik stand auf dem Lehrplan, es sei um „Leichensachen“ gegangen. Ein sehr wichtiges Thema, denn die Polizisten sollten lernen für die Praxis. Worauf müssen wir unbedingt achten? Welche Spuren liefern Aufschlussreiches? Was ist zu vermeiden? „Der Dozent ist da immer sehr in die Tiefe gegangen“.
Und irgendwie sei die Rede im Kurs auch auf den Todesfall in einer mit Wasser gefüllten Badewanne gekommen, zumindest hat das der Zeuge so in Erinnerung. Er war einer der Polizisten, die damals geschult wurden. Der heute 59-Jährige glaubt sich zu erinnern, dass auch erörtert worden sein soll, wie es ein Täter denn anstellen könne, einen solchen gewaltsamen Tod in der Wanne herbeizuführen. Der Dozent soll erklärt haben, dass ein Täter die Füße seines Opfers hochziehen müsse, sodass der Kopf des Opfers unter Wasser gerate. Der Dozent soll auch eingeschärft haben, worauf man als Polizeibeamter unbedingt achten müsse, wenn man im Dienst mit einer solchen Fallkonstellation konfrontiert werde: „Auf keinen Fall das Wasser ablassen“. Denn dessen Temperatur sei ein wichtiger Fingerzeig, lässt sie doch im Zusammenspiel mit der Ausprägung der Totenstarre und dem Erscheinungsbild der Leichenflecken Rückschlüsse zu auf den Todeszeitpunkt.
Als der Polizeibeamte am Mittwoch vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts als Zeuge seine Erinnerungen an die Unterrichtsstunde schildert, sitzt er einem Studienkollegen von damals gegenüber – dem Angeklagten. Der frühere Polizist Michael D. soll zusammen mit seiner damaligen Geliebten und späteren Lebensgefährtin Kathleen B. in der Nacht zum 24. Oktober 1997 in Lorch die Ehefrau des Polizisten in der Badewanne ermordet haben. Zuvor sei die 32-Jährige mit einem Schlafmittel betäubt worden. Anne war ertrunken.
Seit Mitte Januar 2019 müssen sich der 57-Jährige und die 50-Jährige verantworten. Als Michael D. nach einem Schäferstündchen mit der Geliebten spätnachts heimkam, will er Anne tot in der Wanne gefunden haben. Als verzweifelter Ehemann will er das gemacht haben, was er als Polizist ganz anders gelernt hatte – er will das Wasser abgelassen haben, um seine Frau zu bergen. Wegen starker Rückenprobleme soll es ihm aber nicht gelungen sein, die etwa 50 Kilo wiegende Anne aus der Wanne zu heben.
Mit dem Badewasser fehlte ein wichtiger Baustein, um den Todeszeitpunkt sicherer eingrenzen zu können. Das wiederum spielt eine Rolle im Zusammenhang mit dem Alibi. Alles ist mit allem verzahnt. Alles Zufall? Oder alles Teil eines Planes? Die Verteidigung sieht einseitige Ermittlungen und von den Ermittlern „gelenkte“ Zeugen. Der Studienkollege sei in ihren Augen auch ein solcher Zeuge. Seine Erinnerung an die Unterrichtsstunde sei nicht von Fakten gedeckt. Der Zeuge sagt auch, dass sich Michael D. damals sehr interessiert gezeigt haben soll. „Das hat mich gewundert“.
Fortsetzung: Donnerstag 9 Uhr