Kaum Streik-Überraschungen im Rheingau-Taunus-Kreis

Gespenstisch ruhig ging es am Montag an den Gleisen des Bahnhofs Niedernhausen zu. Die Pendler haben sich auf den Streik der Beschäftigten frühzeitig eingestellt.

Während die Bahnhöfe in Rheingau und Idsteiner Land am Montag verwaist blieben und die Zugpendler kreativere Wege suchen mussten, rollte der Busverkehr weitgehend nach Plan.

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Rheingau-Taunus. Ein paar leere Züge mit der Aufschrift „nicht einsteigen“, der kurze Hinweis auf den Anzeigetafeln und nur wenige verwunderte Gesichter an den Gleisen des Niedernhausener Bahnhofs: Auch im Idsteiner Land ist die Mehrheit der Pendler auf den angekündigten Großwarnstreik vorbereitet. Und so sind am Montagmorgen auf der Strecke zwischen Frankfurt und Limburg weder S-Bahnen noch Regionalbahnen unterwegs, die allesamt von DB Regio betrieben werden. Auch der Umsteigepunkt zwischen Bus und Bahn sowie zwischen zwei Bahnlinien von Pendlern ist wie erwartet kaum frequentiert.

Dennoch sind hin und wieder überrascht dreinblickende Menschen aus der Gemeinde und der Umgebung zu sehen, die sich wundern, dass es mit der Bahn heute hier nicht vorangehen wird. „Ich habe gerade meine Nachtschicht beendet und komme jetzt einfach nicht mehr weiter“, erzählt ein Rheingauer, der am Bahnhof in Niedernhausen seit 8 Uhr gestrandet ist. Mehr als eine Stunde habe er in der Kälte gewartet, bevor er nun auf der Idsteiner Straße neben dem Rathaus den Versuch startet, per Anhalter an den Wiesbadener Hauptbahnhof zu kommen. Zwei weitere Pendler, die sich augenscheinlich nicht kennen, beschließen zur selben Zeit, gemeinsam in eines der Taxis zu steigen und sich die Kosten zu teilen.

HLB und Vias können auch nicht fahren

Seit Mitternacht haben Bahnmitarbeiter mit der Unterstützung der Gewerkschaften EVG und Verdi für bessere Löhne ihre Arbeit niedergelegt. Betroffen davon sind auf den Schienen neben dem Güterverkehr auch der von DB Regio betriebene Personenverkehr im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Züge der Hessischen Landesbahn (HLB), die auf der Ländchesbahn-Strecke zwischen Niedernhausen und Wiesbaden unterwegs sind, sowie die Rheingau-Linie von Vias werden dagegen nicht direkt von den Beschäftigten bestreikt. Sie können die Fahrten dennoch nicht antreten, weil auch in den Stellwerken gestreikt wird. Laut RMV-App finden am Nachmittag Fahrten in den Rheingau statt, ob dies der Realität entspricht, lässt sich kaum nachprüfen. In der App ist zu der Zeit auch ein Schienenersatzverkehr auf der Ländchesbahn verzeichnet.

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Zurück zum Bahnhof Niedernhausen, wo sich Martin Schmidt freut, dass er an diesem Tag nicht auf die Bahn angewiesen ist. Er wartet auf dem benachbarten Parkplatz auf einen Freund, der ihn mitnehmen will. In der Zwischenzeit schaut er sich auf dem leeren Bahnhof um. Dabei sei ihm eine ältere Frau mit Trolley entgegengekommen, die eigentlich auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen war und vom Streik überrascht wurde. „Nach München“, habe sie zehn Minuten später einem Taxifahrer scherzhaft geantwortet, der sie nach ihrem Ziel fragte.

Auch wenn die leeren S-Bahnen bereitstehen und kommende Verbindungen auf den Anzeigetafeln präsentiert werden: Aufgrund der Streiks bewegt sich am Montag nichts am Bahnhof Niedernhausen.
Keine Züge, dafür aber ein pünktlicher Ruf-Bus und die Linie 240 - Am Niedernhausener Bahnhof kommt man auf einigen Linien noch weiter.

RTV: Busverkehr läuft ohne Probleme

Bei der Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft (RTV) läuft dagegen, wie angekündigt, alles seinen gewohnten Gang. „Uns liegen keine Streikmeldungen vor“, sagt Gregor Prochaska, bei der RTV zuständig für Marketing und Qualitätssicherung. Die Betreiber der von der RTV beauftragten Buslinien befänden sich im Tarif des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer (LHO) und seien deshalb nicht in den Streik involviert. Der Tarif laufe noch bis März 2024. Einschränkungen gibt es lediglich auf den von der Wiesbadener Eswe Verkehr betriebenen Linien 5 nach Rauenthal und Linie 22 nach Oberjosbach. Am Bahnhof Niedernhausen lässt sich dennoch beobachten, wie die Fahrer der Linien- und Rufbusse bei jedem Halt von zweifelnden Pendlern auf die Streiks und mögliche Einschränkungen angesprochen werden.

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Streik hat nur wenig Auswirkung auf Schiffsverkehr auf dem Rhein

Dass sich der Verkehr durch die fehlenden Züge vermehrt auf die Straße verlagert, ist am Montag auch auf vielen Durchgangsstraßen sichtbar, zum befürchteten „Verkehrsinfarkt“ kommt es aber an fast keinem Ort. Für die Straßen im Kreis meldete das Polizeipräsidium Westhessen: „Keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Montagen.“ Längere und außergewöhnliche Staus bleiben demnach aus.

Auch eine Behinderung des Schifffahrtsverkehrs auf dem Rhein durch Streiks an den Schleusen sei nicht feststellbar gewesen, sagt die Wasserschutzpolizei in Rüdesheim. Da es aus Richtung Nordsee keine Schleusen gebe, können die Frachtschiffe wie gewohnt ungehindert den Rhein hinauffahren. Aus Richtung Süden, also vom Main her kommend, seien die Auswirkungen wegen der Streiks nur leicht spürbar: Etwa fünf bis zehn Schiffe weniger passierten deshalb Rüdesheim an diesem Tag, so die Polizei.