Viele Wildunfälle lassen sich vermeiden
RHEINGAU-TAUNUS. Fast 1000 Wildtiere lassen jedes Jahr auf den Straßen im Rheingau-Taunus ihr Leben. Die Opfer meist nächtlicher Karambolagen sind zum größten Teil Rehe. Die grazilen, knapp 20 Kilogramm schweren Tiere rennen nicht selten kurz vor einem heranfahrenden Auto auf die Fahrbahn. „Da lässt sich ein Zusammenstoß nicht mehr vermeiden“, bedauert Manfred Seelbach, Leiter des Verkehrsdienstes bei der Polizeidirektion Rheingau-Taunus.
Doch es gibt auch Fälle, in denen der Autofahrer etwas tun kann. Und deshalb steht Seelbach an diesem kalten, sonnigen Morgen gemeinsam mit seinen Kollegen auf dem Parkplatz vor dem Edeka-Markt in Bad Schwalbach und verteilt Flyer an die Passanten. Im Gewerbegebiet kaufen viele Menschen ein, die auf der Bäderstraße (B 260) unterwegs sind – die Bundesstraße, die im Kreis den höchsten Anteil hat an den vielen Wildunfällen. Rund 100 Tiere sterben Jahr für Jahr auf den nur 26 Kilometern zwischen der A66 und der Landesgrenze bei Holzhausen/Haide. Auf der an vielen Stellen schnurgeraden Piste ist die Geschwindigkeit hoch; vor allem nachts, wenn die Tiere im Schutz der Dunkelheit auf Nahrungssuche sind.
1000 Wildtiere kommen jährlich im Rheingau-Taunus-Kreis bei Unfällen ums Leben. Dort, wo das Warnschild mit dem springenden Rehbock am Fahrbahnrand steht, ist die Gefahr am größten. Andrea Hailbronner von der Abteilung Verkehrsprävention im Polizeipräsidium Westhessen hält ein Schild hoch, auf dem der Bremsweg bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten abgelesen werden kann. Wer mehr als 80 Stundenkilometer fährt, hat keine Chance, den Zusammenstoß mit einem auf der Straße stehenden Wildtier zu vermeiden. „Viele Unfälle lassen sich durch angepasste Geschwindigkeit vermeiden“, sind sie und ihre Kollegen überzeugt.
Ein Wildunfall ist fast niemandem egal
Denn eigentlich ist es keinem Autofahrer egal, wenn er ein Tier anfährt. Viele, vor allem Frauen, führen deshalb nachts bewusst langsamer. Und sie machten sich bei einem Unfall Gedanken um das Tier, habe Seelbach bei zahlreichen Gesprächen erfahren. Auch an diesem Morgen erzählen viele Autofahrer den Polizeibeamten ihre persönliche Geschichte und berichten von dem Schock, den der Unfall fast immer bedeutet. Die meisten Autofahrer ziehen daraus Konsequenzen: Wem schon einmal ein Tier vors Auto gelaufen ist, fährt vor allem in den Abend- und Nachtstunden langsamer und vorsichtiger. Für eine solche Fahrweise, auch davon hätten einige Bürger berichtet, hätten allerdings andere Verkehrsteilnehmer nicht immer Verständnis. Aufblenden, dicht auffahren, manchmal sogar Hupen des Hintermannes bringe dann so manchen umsichtigen Autofahrer in Bedrängnis.
Vielen ist offenbar nicht bewusst, dass der Zusammenprall auch für die Insassen des Autos Gefahren birgt: Wildschweine oder Dam- und Rotwild landen nicht immer unter, sondern manchmal auch auf dem Wagen. Nicht selten führen auch Ausweichmanöver dazu, dass ein Auto in den Graben oder – schlimmer noch – auf die Gegenfahrbahn fährt. In dem Flyer, den die Polizisten an die Passanten verteilen, steht deshalb die Empfehlung „nicht ausweichen“. Sobald man ein Wildtier auf oder an der Fahrbahn sieht, sollte man stattdessen sofort das Tempo reduzieren und das Fernlicht abblenden. Ist der Unfall passiert, sollte man die Unfallstelle sichern und die Polizei informieren. Vom Impuls, einem noch lebenden Tier helfen zu wollen, rät die Polizei ab. Ein verletztes Tier könne in Panik zur Gefahr für den Menschen werden.
Für das Tier endet die Kollision übrigens immer tödlich – auch wenn es noch lebt und zunächst unverletzt aussieht. Weil innere Verletzungen zu einem langen, qualvollen Tod führen könnten, wird es erschossen – entweder vom Jagdpächter oder – zur Not – von der Polizei.