Von manchen werden sie die „Gerber-Zwillinge“ genannt – die beiden Bronzefiguren, die seit 1989 im Brunnenbecken in der Rodergasse stehen und mit ihrer bald 30-jährigen...
IDSTEIN. Von manchen werden sie die „Gerber-Zwillinge“ genannt – die beiden Bronzefiguren, die seit 1989 im Brunnenbecken in der Rodergasse stehen und mit ihrer bald 30-jährigen Präsenz auch heute noch an die prägende Vergangenheit Idsteins erinnern. Wie sie da mit den Füßen im Wasser stehen, sollen sie Zeugen eines Handwerks sein, das mehr als 400 Jahre lang zu den Haupteinkünften der Idsteiner gehörte: die Gerberei. Wasser braucht es dazu, wenn aus Tierfellen lange haltbares Leder werden soll. Da bietet es sich an, ein Denkmal für dieses Handwerk der Vergangenheit als Brunnen zu konzipieren.
„Bildhauer und Bauer“ ist das Signet des Künstlers
Kurt Passon war der Bildhauer, der im Auftrag der Idsteiner Wirtschaft 1989 dieses Kunstwerk erschuf. Bis 1983 lebte der begabte, aber äußerst bescheidene Künstler, der seine Skulpturen stets mit dem Kürzel „B. und B. Passon“ signierte, in Idstein. Von hier aus zog er ins schwäbische Ellhofen, wo er 2007 starb.
„B. und B.“ bedeutet „Bildhauer und Bauer“. Und genau dies waren die beiden Leidenschaften des äußerst produktiven Künstlers, der sich sein Leben lang gegen den Kommerz wehrte und niemals von sich aus seine Werke zum Verkauf anbot. Er war Meisterschüler Anton Hillers in München, wo er Ende der 50er Jahre in drei aufeinanderfolgenden Jahren den Preis der Akademie der Künste erhalten hatte.
15 Idsteiner Firmen hatte Bauunternehmer Dietmar Bücher einst zusammengetrommelt, als es darum ging, in der Idsteiner Fußgängerzone ein Kunstwerk zu etablieren. 90 000 D-Mark kamen dabei für das Werk des damals schon im schwäbischen Allgäu lebenden Künstlers zusammen. Den Einbau in die Rodergasse übernahm im Jahr 1989 die Stadt und zum Idsteiner Weihnachtsmarkt jenes Jahres war es dann soweit: der Gerberbrunnen wurde mit einer feierlichen Enthüllung den Idsteinern übergeben, die zunächst nicht uneingeschränkt über diesen Beitrag zur „Kunst im öffentlichen Raum“ begeistert waren.
Dennoch gehören die Gerber-Gesellen längst in die Stadt. Im Sommer werden immer wieder sich am Wasser begeisternde Kinder am Eingang zur Fußgängerzone beobachtet und im Winter passiert es mitunter, dass mitleidige Passanten den Bronzefiguren Mützen aufsetzen, Schals umbinden oder Jacken um die Schultern legen. Entgegen dem früher landläufigen Brauch, Brunnenfiguren als Symbole von Macht und Herrschaft einzusetzten, stehen die beiden Gerber für einen hart arbeitenden Berufsstand. Und genau dem fühlte sich der Bildhauer und Zeichner Kurt Passon, 1929 in Breslau geboren, sehr verbunden. Vor seinem Kunststudium in München hatte er seinen Lebensunterhalt als Land- und Ziegeleiarbeiter verdient.
An ihrem Standort in der Rodergasse verweisen die beiden Gerber-Gesellen aber auch auf den nahen Löherplatz, der ebenfalls das alte und verbreitete Idsteiner Handwerk in seinem Namen trägt. Denn dort produzierte bis Ende der 50er Jahre die traditionsreiche Lederfabrik Landauer und Donner und dort steht bis heute das Gerberhaus.