Die Senioren des Vinzenz-von-Paul-Hauses in Idstein tragen am bundesweiten Vorlesetag Kindern der Erich-Kästner-Schule Geschichten vor.
IDSTEIN. Anlässlich des bundesweiten Vorlesetages lauschten Kinder und Hausbewohner den Geschichten der Seniorinnen und Senioren im Vinzenz- von-Paul-Haus in Idstein. Mit dem Lesetag soll ein öffentliches Zeichen für das Vorlesen gesetzt werden. Die Idsteiner Stadthexe Aurelia – Sozialdienstleiterin Jutta Schmidt war in diese Rolle geschlüpft – präsentierte sich nicht nur im Hexenoutfit, sondern las den Zuhörern so manche Geschichte vor.
Vor 70 Jahren schlank wie eine Tanne
Unter den Zuhörern waren Schülerinnen und Schüler der 2. bis 6. Klasse der Erich-Kästner-Schule. Bürgermeister Christian Herfurth (CDU) freute sich, dass sich das Haus an dem Lesetag beteiligte. Dass die Kinder der Erich-Kästner-Schule teilnahmen, mache deutlich, dass Lesen Jung und Alt verbinde. Herfurth wünschte sich, dass viel mehr gelesen werde. Schließlich müsse man nicht ständig am Computer sitzen, sondern könne hin und wieder auch mal ein Buch zur Hand nehmen.
Für die Seniorinnen und Senioren habe es früher weder Handy noch PC gegeben. Damals sei viel mehr gelesen worden, hob auch Schmidt hervor. Sie merkte an, dass sich das Haus bereits zum dritten Mal an dieser Vorleseaktion beteilige. In diesem Jahr las die Stadthexe Aurelia, aber auch 16 Bewohner vor. Allen voran machte die 91-jährige Gertrud Kroschinske, die älteste Bewohnerin der Caritas-Einrichtung, vor, dass man das Lesen nicht verlernt. So las sie aus einem Brief aus dem Jahre 1899 vor. Sie erinnerte dabei daran, dass sie vor 70 Jahren so schlank wie eine Tanne war. Vor 60 Jahren sei sie eine Buche gewesen. Mit 60 sei es ans Altern gegangen und der schlanke Baum sei jetzt ein kleines krummes Wachholdergestrüpp.
Alfred Zirwes verglich die weggeschwemmte Burg mit dem Leben, das eines Tages auch endet. Renate Andujar befasste sich mit einem kleinen behinderten Hund. Ein Junge wollte ihn kaufen und nicht geschenkt bekommen. Der Besitzer meinte, ihn solle jemand bekommen, der ihn schätze, wie er sei, nämlich behindert. Er selbst habe ein Holzbein.
So kam auch wie durch die Geschichte von Ingeborg Wiegand das Konzept individueller Unterschiede rüber. Mucksmäuschenstill lauschten die jungen und alten Zuhörer, denn die Geschichte handelt von den Möglichkeiten der Tiere. Könne doch ein Eichhörnchen klettern, ein Adler fliegen, aber ein Kaninchen könne keines von beidem. Über verrückte Sachen aus dem Leben erzählte Hildegard Müller.
Die Stadthexe erzählte allerlei aus ihrem Leben und dem des Hexenmeisters. Sie sagte, sie fühle sich als Generationenhexe, obwohl sie, 1604 geboren, zu den jungen Hexen zähle. Andere befassten sich mit dem Geheimnis der Zufriedenheit und damit, dass der Glaube Berge versetzen könne. Hintergründig war aber auch die Geschichte mit dem Hammer. Stellte sich doch hier Zirwes seinem Nachbarn als Angeber vor, der ihm sicher seinen Hammer nicht leihen würde, weil er etwas gegen ihn habe. Dabei wusste er nicht einmal, ob dieser einen solchen besitzt. Für Schmidt war diese Leseaktion, die sicher wiederholt werde, wichtig, weil sie generationenübergreifend sei.