Am liebsten wäre Teklesenbet Fishatsien jetzt bei seiner Familie in Eritrea. Doch in seinem autoritär regierten Heimatland würde dem 22-Jährigen ein Militärdienst blühen,...
ELTVILLE. Am liebsten wäre Teklesenbet Fishatsien jetzt bei seiner Familie in Eritrea. Doch in seinem autoritär regierten Heimatland würde dem 22-Jährigen ein Militärdienst blühen, der mit dem Dienst in der deutschen Bundeswehr wenig gemein hat: Verpflichtung auf unbestimmte Zeit, keine Verweigerungsmöglichkeit, geringe Besoldung und keine Möglichkeit auf ein geregeltes Familienleben – die Menschenrechtsorganisation Amnesty International listet diesen Dienst unter dem Punkt Zwangsarbeit auf. In Deutschland genießt er deshalb vollen Flüchtlingsschutz für drei Jahre mit dem Recht zu arbeiten. Als er im Sommer 2015 in Deutschland ankam, wollte er Tischler werden. Während eines Praktikums in einer Schreinerei zeigte er dem Lehrmeister, dass er das nötige handwerkliche Geschick besitzt.
Die Sprache erweist sich als eine Hürde
Doch seine anfängliche Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz, den Besuch einer Berufsschule und damit auf ein geregeltes Einkommen hat er mittlerweile vollständig aufgegeben – er tut sich zu schwer mit der deutschen Sprache. Teklesenbet wohnt seit einem Jahr alleine in einer Einzimmerwohnung in Eltville, hat keinen Kontakt zu gleichaltrigen Deutschen und ist erst kürzlich durch die Abschlussprüfung seines B1-Sprachkurses gefallen. Auf das Ergebnis seines zweiten Versuchs wartet er zwar noch, doch steht für Teklesenbet schon jetzt fest: „Am liebsten will ich arbeiten, keinen weiteren Sprachkurs besuchen.“ Lieber Aushilfsjob als Ausbildung. Raus aus der Wohnung und etwas anpacken.
Dabei habe es bei Teklesenbet nicht wie bei manch anderem Flüchtling an der nötigen Motivation und Eigeninitiative gefehlt, sagt Marion Berg, die ihn seit seiner Ankunft im Rheingau ehrenamtlich betreut. Vielmehr sei er mit der Zeit resigniert. Sie sieht für ihren Schützling keine berufliche Perspektive, wenn er nicht besser Deutsch lernt. Grundsätzlich sind Flüchtlinge verpflichtet, an Integrationskursen teilzunehmen. „Wer kein Englisch kann, hat es aber sehr schwer“, sagt die 62-Jährige. Der überwiegende Teil bestehe die Abschlussprüfung im ersten Anlauf nicht – 80 Prozent schätzt sie. Und das sei angesichts der derzeitigen Situation nachvollziehbar.
Denn außerhalb des Unterrichts seien Flüchtlinge meist, so auch Teklesenbet, beim Erlernen der Sprache auf sich allein gestellt. „Es braucht eine Begleitperson, die beim Deutschlernen hilft“, sagt sie. Die Kursteilnahme allein reiche nicht aus. Nachhilfe könnte jeder geben, auch Schüler: „Da kann man nichts falsch machen.“ Von ehrenamtlichen Helfern abgesehen, gebe es im Rheingau-Taunus-Kreis laut einem Sprecher des Kreises derzeit keine Angebote, die den Besuch der Integrationskurse unterstützend begleiten.
Doch selbst einen Kursplatz zu ergattern, sei ihrer Erfahrung nach für Flüchtlinge ohne fremde Hilfe nicht zu leisten, sagt Berg. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge mussten Flüchtlinge Ende 2017 ab ihrer Anmeldung im Schnitt zwölfeinhalb Monate auf einen Kursplatz warten. Einem Sprecher des BAMF zufolge sei es Ziel, jedem Bewerber binnen sechs Wochen einen Platz zu verschaffen, was aktuell nur bei 44 Prozent der Flüchtlinge gelinge.
Nicht so bei Teklesenbet: Er musste über ein Jahr auf seinen Kurs warten. „Es bräuchte ein Portal, um zu sehen, wo es freie Plätze gibt“, schlägt Berg für den Rheingau-Taunus-Kreis vor. Stattdessen werde jedem Flüchtling von der Volkshochschule (VHS), der ersten Anlaufstelle, eine Liste in die Hand gedrückt, auf der zahlreiche Kursanbieter vermerkt seien – ohne dass ersichtlich wäre, wo es noch freie Plätze gebe. Es brauche eine Stelle, die mehr koordiniert.
Der Rheingau-Taunus-Kreis schätzt die Lage anders ein. Eine Sprecherin des Kreises teilte auf Anfrage mit, dass die VHS in Taunusstein und den Außenstellen in Idstein und Oestrich-Winkel grundsätzlich mehrere Termine zur Beratung und Anmeldung zu Integrationskursen anbiete. Aufgrund der vielen Interessenten könne es derzeit aber zu längeren Wartezeiten kommen. Eine direkte Rücksprache mit der VHS war bisher nicht möglich.
Ein weiteres Problem ist aus Bergs Sicht, dass Kursbücher selbst gekauft werden müssten, und beiliegende Sprach-CDs oft gar nicht genutzt würden. Die meisten Flüchtlinge hätten schlicht keinen Zugang zu einem CD-Player. Wenn die Fahrkarten zur Fahrt zum Kursort im Nachhinein bezuschusst würden, müssten Flüchtlinge in Vorkasse treten. Erst am Ende des Kurses könnte die Fahrkarte zur Erstattung eingereicht werden.
Marion Berg: „Unnötiger Verwaltungsaufwand“
Einerseits sei dies sinnvoll, da so ein Anreiz zur Teilnahme geschaffen würde, andererseits eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung der Flüchtlinge und aus Verwaltungssicht unwirtschaftlich: „Die drei Monatstickets, die Teklesenbet braucht, um von Eltville nach Wiesbaden zum Sprachkurs zu kommen, kosten mehr als ein Hessenticket für das gesamte Jahr.“ Und die durch ein solches Ticket gewonnene Bewegungsfreiheit erleichtere die Integration ungemein, meint Marion Berg.