Nachwuchskünstler zeigen witziges Improvisationstheater im Rahmen der Nibelungen-Festspiele Worms
Von Ulrike Schäfer
Aus Geistesblitzen entwickelt die Improvisationstheatergruppe kunstfertig kreative Szenen. Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin
( Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin)
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WORMS - Ein Regenschirm ist ein Regenschirm. Man spannt ihn auf, wenn es regnet. Vielleicht auch, wenn die Sonne allzu grell vom Himmel brennt. Im Notfall könnte man mit dem geschlossenen Teil auch einen Angreifer in die Flucht schlagen. Das ist schon alles. Oder?
Am Samstagabend zeigte der vielseitige und viel beschäftigte Entertainer Jens Wienand, in Worms bekannt und beliebt als wortgewandter Moderator von Poetry-Slams, mit sechs jungen Nachwuchskünstlern witziges Improvisationstheater auf der Hinterbühne des Wormser Theaters, und dabei war ein Knirps aus dem Publikum ein wichtiges Requisit. Er diente zwar auch als Schirm, den niemand öffnen konnte, aber ebenso war er Fernglas, Selfie-Stick, Eistüte, Bräunungsgerät, Schwert für einen Ritterschlag, Fusselrolle, Säugling, Kobra und in aufgespannten Zustand Salatschüssel, Schachbrett, Springbrunnen und Boot, um nur einiges zu nennen.
Große Rolle für vielseitigen Knirps
Diese Rolle konnte der Knirps spielen, weil Jonathan, Nils, Daniel, Anita, Friederike und Heike, hochmotiviert und sehr kreativ, sich von der Form des Schirms zu immer neuen kleinen Szenen inspirieren ließen. Wer eine neue Idee hatte, brachte sich selbst mit „Freeze“ ins Spiel. Schon diese erste Runde machte deutlich, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Dass man sie gelegentlich zügeln und in Bahnen lenken muss, damit keine Längen und Sackgassen entstehen, vermittelten Profi Jens Wienand und seine beiden Mitstreiter, die studierte Theaterpädagogin Neele Leske und Improvisationstrainer Ulrich Jungblut, kaum merklich mit viel Können und freundlichem Respekt.
Aus Geistesblitzen entwickelt die Improvisationstheatergruppe kunstfertig kreative Szenen. Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin
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„Nachwuchsförderung ist essenziell“, hatte Jens Wienand mal vor zwei Jahren in einem Interview mit der WZ betont. Zum zweiten Mal wurden deshalb während der Nibelungen-Festspiele Improvisationsworkshops angeboten. Dreimal trainierte Wienand mehrere Stunden lang mit interessierten Jugendlichen. Dabei deklinierte er mit ihnen die verschiedenen Formen des Improvisationstheaters durch.
Zum Beispiel die Urlaubsreise. Mutter und Sohn verlebten 14 Tage in Irland und berichteten in einem Dia-Vortrag darüber. Die turbulenten Fotos stellte der Rest der Gruppe spontan, und die Erzähler hatten ihre Mühe zu erklären, welche Situation jedes Bild wiedergab. Oder die Fantasie zum Begriff Kajak, die sich zu einer skurrilen Geschichte mit einer Burg ganz in Pink, mehreren Farbberatern und einer Eheschließung zwischen zwei Prinzessinnen entwickelte. Das war zum Schießen komisch! Gut kam aber auch die harmlose Szene an der Tankstelle an, die auf Wunsch der Zuschauer im Science-Fiction- und Westernmodus nachgespielt wurde. Besondere Kunstfertigkeit verlangte der gestenreiche Dialog zwischen zwei „stummen“ Chemikerinnen, der von Neele Leske und Ulrich Jungblut quasi synchronisiert wurde. Zum Schluss sollte ein Forscher im Fernsehen über sein Erlebnis mit einem „kletternden Blauwal“ berichten. Das wusste er aber nicht. Jonathan musste ihm seine Arme „leihen“ und ihn durch eine entsprechende Gestik auf den Trichter bringen. Marek Herz, ebenfalls ein Meister der Improvisation, begleitete die einzelnen Szenen mit seiner Gitarre und wusste immer die richtigen Töne zu treffen.
OFFENHEIT UND SPONTANEITÄT
Der Abend mit Jens Wienand im „Wormser“ war eingebunden in das Rahmenprogramm der Nibelungen-Festspiele. Klar war nach dem Auftritt, dass das Improvisationstheater nicht nur eine hübsche Spielerei ist, die sehr viel Spaß macht, sondern dass es auch Spontaneität, Offenheit und Anpassungsfähigkeit schult. Es ist also kurzum ein hervorragendes Mittel zur Verbesserung menschlicher Interaktion.