Mit Palmetshofers „räuber.schuldenreich“ bringt das Schauspiel Frankfurt den Generationenkonflikt einmal anders auf die Bühne. Und das trotz spärlicher Ausstattung echt stylish.
FRANKFURT. Platzt immerfort wer rein. Die Türglocke als Unheilsverkünder. Dabei wollen diese beiden alten Leute in ihrem biederen Einfamilienhäuschen doch nichts anderes als nicht gestört werden in ihrem gut eingespielten Langzeit-Einvernehmen. Der österreichische Theaterpreissammler Ewald Palmetshofer überschreibt gerne Klassiker, und für seine eigenen Stücke greift er bisweilen Titel und Figurennamen aus dem dramatischen Kanon auf. In „räuber.schuldengenital“ 2012 in Wien uraufgeführt, gibt es wie bei Schiller zwei Söhne mit Namen Franz und Karl. Die buhlen jedoch nicht um die Gunst ihres Vaters, sondern sie schneien unwillkommenerweise bei ihren Eltern herein und nehmen ihnen ihre Rente ab. Am liebsten gleich auch die für alle Zukunft. Nihilismus, weil die Lebensaussichten fatal sind. Derweil die Eltern es sich hübsch gut gehen lassen. Generationenkonflikt auf die Spitze getrieben. Mit finalem Gemetzel.
In der Bearbeitung des Regisseurs David Bösch für die Kammerspiele des Frankfurter Schauspiels, der etliche Szenen umgestellt und gekürzt hat, heißt das nun, weniger festgelegt, „räuber.schuldenreich“. Wär’ nicht nötig gewesen. Das Sexuelle spielt nun einmal eine gewichtige Rolle in Palmetshofers geschickt die Ebenen verschränkendem Konstrukt. Die beiden mit modischen Vollbärten und stylish schwarzer Kleidung angetanen Brüder, gespielt von Isaak Dentler und Fridolin Sandmeyer als Antipoden von Jammer und Tatkraft, wirken beckettzitathaft bei einem vergeblichen Autostoppversuch an einem Niemandsparkplatz, bevor sie sich per Video im gestohlenen Fahrzeug auf die Fahrt zu den Eltern begeben. Die Psychologie bleibt andeutungshaft. Alle Akteure in diesem familiär/nachbarschaftlichen Geflecht lassen monströse Spuren einer Beschädigung erkennen. Offen bleibt, was Ursache ist, was Wirkung, wer Täter ist und wer Opfer. Palmetshofers jambisch gedrechseltes, dabei punktknappes Spiel mit der Sprache offeriert dankbare Angebote an die Schauspieler. So stellt sich die Frankfurter Aufführung zunächst als brillant getimte Parade komödiantisch pointierter Gesten und Mienen dar. „Ja, das wär’ komisch“, sagt der Vater – und meint das Gegenteil. Possierlich ironisch vibrieren die Körper der Beteiligten beim Sex.
Der Boden von Falko Herolds rauchdurchwehtem schwarzen Raum ist mit einer Ascheschicht bedeckt. Hinten zeichnen sich im Dunkel schwarze Müllsäcke ab. Ein postapokalyptisches Setting, ebenso kann es für den verbrannten Boden der Familie stehen. Die Eltern hinterlassen ein ökologisches Desaster, derweil sie frechdreist demonstrativ den Söhnen vorführen, wie kreischgut es im Bett noch immer läuft. „Money Money Money“ intoniert im Übrigen auf Abba-Basis am Anfang fein säuberlich ein Chor aus dem Off.
Ein Kühlschrank, der aus dem Bühnenboden aufsteigt, für die Andeutung des Nachbarhauses eine Herd/Spülen-Kombination – die sparsame Ausstattung entspricht dem stilisierten Realismus des Textes. Die im Rollstuhl sitzende Nachbarin – Anke Sevenich mit strähniger Blondmähne – hat ihre Tochter – Sarah Grunert oszilliert zwischen ,,Mädchen“ und ,,Luder“ – unterjocht. Mit hartherzigem Echo. Und sie frönt einer Liebe zu dem Geldboten, den Matthias Redlhammer mit der von ihm bekannten theaterpoetischen Note gibt.
Das tolle Ensemble allein reicht nicht aus
So sauber das alles gearbeitet sein mag, es gelingt David Bösch nicht, eine Spannung über die anderthalb Spielstunden hinweg aufzubauen. Das verläppert sich. Tolles Ensemble, vornan das feinwitzige, tragende Paar Heide Ecks und Peter Schröder. Hilft aber nichts. Immer noch ein und noch ein zugespielter Popsong, wo es vielmehr starke Bilder bräuchte – das wirkt wie eine Geburt der Verlegenheit.