Sein Leidenschaft zum Beruf hat Markus Stein gemacht: Der Mainzer Musikdozent leitet namhafte Ensembles – und weiß dank der Ausbildung seine Konzerte solide zu kalkulieren.
Von Jan-Geert Wolff
Hat den Schritt in die künstlerische Selbstständigkeit keinen Moment bereut: Musikdozent Markus Stein.
(Foto: Katrin Hoffmann)
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MAINZ - „Die zwei Leben des Markus Stein“ wäre als Titel einer Biografie sicherlich etwas zu hoch gegriffen. Doch der Lebensweg des 41-jährigen Mainzer Musikdozenten ist spannend und weist eben eine jähe Kehrtwende auf: Bevor sich der gebürtige Saarländer als Barockmusiker selbstständig machte, war er zuerst Kundenberater einer Bank und später sogar ihr Filialleiter. Bis ihm die Entwicklung im Finanzwesen mit Zielvorgaben und Verkaufsdruck einen Strich durch die Rechnung und er sein musikalisches Hobby zum Beruf machte.
Doch zurück ins Merzig der 1980er Jahre. Steins Elternhaus ist nicht musikalisch, trotzdem lernt der Sohn ein Instrument: Heimorgel. Mit neun Jahren wechselt er an die Kirchenorgel und macht beachtliche Fortschritte, sodass er schon mit zwölf die erste Messe spielt. Forthin vertritt er die älteren Kollegen im Umkreis und wird mit 16 selbst Organist in Tünsdorf nahe Mettlach, wo er auch einen Kirchenchor zu leiten hat.
Doch ist der Beruf des Kirchenmusikers ein zukunftssicherer? Markus Stein entschließt sich nach Abitur und Zivildienst lieber zu einer Lehre als Bankkaufmann und sattelt den Betriebswirt noch obendrauf. Die Musik aber bleibt sein Hobby, er leitet nebenher Kirchenchöre und einen Gesangverein. 2003 haben Freunde und er eine Schnapsidee, wie er es heute nennt: Sie wollen Händels „Messiah“ aufführen – mit historischen Instrumenten. Man sucht und findet talentierte Chorsänger, aus denen der heute noch von Markus Stein geleitete Kammerchor Merzig erwächst, geht zum dortigen Kulturamt und bekommt die Zusage der Kostenübernahme –„heute undenkbar!“. Selbst kopierte Plakate sorgen für das Publikum, das Konzert wird ein Erfolg.
KONZERT
Sonntag, 27. Januar, Thomaskirche Hofheim, 17 Uhr: Venezianische Kirchenmusik; Markus Stein dirigiert; Solisten von BarockVokal, Thomaskantorei und Neumeyer Consort. Karten zu 15 Euro (erm. 12) unter Tel. 06192-54 91; Einführungsvortrag am 22. Januar, 19.30 Uhr, Thomasgemeinde (Herderstraße 25).
Und der Funke springt über. Aufführungen von Bachs Weihnachtsoratorium und der Johannespassion folgen, der Anspruch an die eigene Kunstfertigkeit wächst. Für seine musikalischen Aktivitäten geht Steins Urlaub drauf, bis er die Bank verlässt und Cembalounterricht nimmt, um 2008 an der Frankfurter Musikhochschule die Aufnahmeprüfung zu bestehen. Es klappt, und 2013 ist er diplomierter Cembalist. In der Zwischenzeit hat er sich ein Netzwerk aufgebaut, das für freiberufliche Musiker ein Muss ist. Bereits 2007 gründet er mit der Geigerin Barbara Mauch-Heinke und dem Cellisten Felix Koch das Neumeyer Consort. 2011 nimmt Stein dann einen Lehrauftrag als Korrepetitor an der Hochschule für Musik Mainz an, wo er seitdem die Studierenden begleitet und eigene Schüler am Cembalo unterrichtet. Außerdem unterstützt er die Proben von UniChor sowie Gutenberg-Kammerchor und übernahm ein Semester lang für den erkrankten Ralf Otto den Dirigierunterricht in der Chorleitungsklasse.
Das Mainzer Publikum kennt Stein als versierten Continuo-Spieler und kann ihn jetzt auch als Gastdirigent von BarockVokal erleben, wozu es allerdings nach Hofheim fahren muss: In der Thomaskirche leitet der Musiker am 27. Januar ein Konzert mit venezianischer Kirchenmusik von Antonio Vivaldi. Mitwirkende sind neben fünf Solisten des Exzellenzstudiengangs das Neumeyer Consort und die örtliche Thomaskantorei, die Stein seit 2015 dirigiert. Zur Aufführung kommen unter anderem das Gloria in D-Dur (RV 589) und Auszüge des Oratoriums „Juditha triumphans“.
Barockpartituren statt Banknoten also – die Rechnung ist aufgegangen. Den Schritt in die künstlerische Selbstständigkeit hat Markus Stein keinen Moment bereut. Im Gegenteil: Seine wirtschaftlichen Kenntnisse nutzten ihm heute bei der Akquise und Kalkulation von Konzerten – welches B arockorchester hat schon einen Betriebswirt am Cembalo sitzen? Dort aber ist Steins Platz, dort kann er das tun, was er heute als seine Aufgabe und Passion sieht, nämlich die barocke Musik zum Sprechen zu bringen: „Sie hat uns viel zu erzählen.“