Apokalypse und Ode an die Nacht aus einem Guss: Piano-Tausendsassa „Lambert“ und seine Mitstreiter entfalten im KUZ filigrane, hypnotische Klanglandschaften
Von Fred Balz
Ode an die Nacht als melodisches Kreisen um strenge rhythmisch-melodische Muster; Lightshow und Tiermasken legen sich darüber und verstärken die Aura des Rätselhaften.
(Foto: hbz/Kristina Schäfer)
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MAINZ - Anders als die des Rappers Cro besteht die Maske des Piano-Tausendsassas Lambert aus echtem Leder und ist historisch. Seine handgefertigte Stiermaske stammt aus Sardinien und wurde einst beim Karneval getragen. Dahinter verbirgt der in Hamburg geborene und in Berlin lebende Mittdreißiger seine Identität und schafft damit gleichzeitig Aufmerksamkeit und Distanz für seine nun auch im KUZ zu bestaunende Kunst.
Obwohl bereits dezente Pianomusik vom Band läuft, lässt Lambert sein Publikum warten. Das soll in eine entspannte Stimmung versetzt werden, bevor er seine perfekt getaktete Harmoniemusik ausbreitet. Obwohl sich der sich hinter einem Pseudonym verbergende „Lambert“ als Solist versteht, hat er Musiker mitgebracht, die ihn dezent begleiten. Während „Lucambarc“ am Schlagzeug den Puls des Pianisten aufnimmt, erscheinen die Akkorde und Klangflächen von Gitarrist und Keyboarder „Schaubert“ als kaum vernehmbares Hintergrundrauschen.
Hätte Lambert seinen ebenfalls hinter Tiermasken verborgenen Musikern Raum gelassen, hätte es ein denkwürdiges Konzert werden können. So geriet es zur Selbstdarstellung eines technisch versierten Musikers, dem sein musikalisches Mantra zum Korsett gerät. Nicht erst seit Ludovico Einaudi versanden nette Ideen mit wiederkehrenden Dur-Moll-Parallelen bei striktem Tempo in nicht enden wollenden Wiederholungen.
Metrisches Regelwerk mit Spieluhr-Präzision
Leider erliegt auch Lambert, der durchaus zündende Melodien und feinsinnige Miniaturen zu entwerfen imstande ist, diesem preußischen Ordnungssinn. So erscheint seine Musik wie ein Flickenteppich netter Ideen und repetitiver Muster, denen der Sinn für das große Ganze verloren gegangen ist. Für einen netten Abend mit hypnotischen Rhythmen im halsbrecherischen Spiel auf dem Stride-Upright-Piano reicht es aber allemal, zumal der Drummer mit Trommelschlegel und intensiver Beckenarbeit immer den richtigen Beat findet.
So sind das melodische Kreisen und der Puls, der die Musik antreibt, der eigentliche Star des Abends. Das geschieht nicht nur im Stechschritt, auch der entspanntere Walzertakt kommt ein uns andere Mal zum Einsatz. Es ist beeindruckend, wie Lambert sich wiederholende Begleitfiguren der linken Hand auf Autopilot abruft, während die rechte Hand sein musikalisches Schaffen widergibt. Bisweilen erinnert der Klang des Pianos an Spieluhr und Stummfilmmusik.
Lamberts zweites Album „Stay in the dark“ war eine Ode an die Nacht – und ähnlich wirkt die Inszenierung. Dunkel gewandete Musiker im Kunstnebel werden im Halbschatten von fahlen Spots erleuchtet. Neben drei Stücken aus „Sweet Apocalypse“ und dem Stück „The Dance“ spielt er sein aktuelles Album „True“ in Gänze. Zur Verwunderung vieler verlassen die bisweilen schwermütigen Weisen weder Tonalität noch den strikten Uhrwerksrhythmus. Nur im Crescendo des Finales finden sich einige spontan in die Tasten gehauene Dissonanzen.