Neben Soulstimme Juliana Blumenschein im Jazzclub und Elektrotüftler Felix Kubin in der Oetinger Villa begeisterte Vokalakrobat Andreas Schaerer mit Band in der Centralstation.
DARMSTADT - Allein die Konzerte des Wochenendes offenbarten die ganze Bandbreite des „DAzz“-Festivals. Neben Soulstimme Juliana Blumenschein im Jazzclub und Elektrotüftler Felix Kubin in der Oetinger Villa begeisterte Vokalakrobat Andreas Schaerer mit Band im Saal der Centralstation. Wo der Hamburger Kubin zwischen Avantgarde, Dadaismus, Techno und Kinderlied oft mit vorproduzierten Elementen arbeitete, baute der Berner Sänger auf Kraft und Ausdrucksstärke seiner Stimme. Gemeinsam setzten beide bei ihrer pantomimischen Performance stark auf ihre Hände. Kubin dirigierte ein unsichtbares Orchester, während Schaerer das Instrument unterstrich, das er gerade lautmalerisch imitierte.
In den letzten zwölf Jahren veröffentlichte der produktive Jazzsänger, teils mit der Band „Hildegard lernt fliegen“, gleich 16 Alben. Mit seinem aktuellen Projekt „A Novel Of Anomaly“ besuchte er zwischen Terminen in Budapest und Cannes die Centralstation. Begleitet wurde Schaerer von seinem langjährigen Partner und Landsmann Lucas Niggli an den Perkussionsinstrumenten, dem finnischen Gitarristen Kalle Kalima und dem italienischen Akkordeonspieler Luciano Biondini. Kalima und Biondini komponierten die meisten Stücke des gleichnamigen Albums, aus dem sich ein großer Teil des Konzertrepertoires speiste.
Häufig verzichtete Schaerer auf Texte und setzte seine Stimme als viertes Instrument ein. Im Eröffnungsstück „Aritma“ folgte er mühelos zwischen Zwitschern, Jubilieren und Schmachten den Sprüngen des Akkordeons. Bei der rockigen Zugabe „Galateria“ verfiel er zwischen Sopraneinlagen gar ins Jodeln. Während Schaerer in „Dive“ oder der Ballade „Fiore Salino“ („Salzblume“) einerseits den Melodiebogen vorgab, schnalzte er gleichzeitig mit der Zunge dazu den Rhythmus.
Streckenweise erinnerte Biondinis virtuoses Akkordeonspiel an Volksmusik, während er sich bei „Causa Danzante“ an französischen Chansons orientierte. Dagegen nahm Opernkomponist Kalle Kalima bei „Dive“ oder „Rough Ride Sweet Landing“ Anleihen beim Fusion Rock und Free Jazz. Drumer Lucas Niggli verwendete rund zwei Dutzend Sticks oder Schlagzeugbesen oft in rascher Folge und glänzte mit einem ausladenden Solo.
Bei „Signor Giudice“ überließ Schaerer ohnehin seinem perfekt abgestimmten Trio für eine längere Improvisationspassage die Bühne. Zwischen stampfenden Rhythmen und poetischen Tönen, wilden Vokalkaskaden und stimmungsvollen Melodien überzeugten Andreas Schaerer und „A Novel of Anomaly“ mit einen erinnerungswerten, vielschichtigen Set.