Galilee Chamber Orchestra aus Nazareth im Kurhaus

Saleem Ashkar am Klavier leitet das Galilee Chamber Orchestra im Kurhaus Wiesbaden. Foto: RMF/Ansgar Klostermann
© RMF/Ansgar Klostermann

Beim Galilee Chamber Orchestra musizieren israelische Juden und israelische Palästinenser. Das Orchester trat in der Reihe „Courage“ des Rheingau Musik Festivals auf.

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WIESBADEN. Er sei in einer wirklich privilegierten Position, hat Saleem Ashkar neulich in einem Rundfunk-Interview gesagt. „Ich kann hier eine Beethoven-Sinfonie aufführen, und es ist eine Uraufführung für das Publikum. Wir schaffen etwas ganz Neues.“

Wo man heutzutage noch Beethoven-Sinfonien uraufführen kann? In Nazareth in Galiläa im Norden Israels, einer christlich und palästinensisch geprägten Stadt mit rund 75 000 Einwohnern. Gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Vater gründete Ashkar 2012 dort das Galilee Chamber Orchestra.

Der einzige arabische Konzertpianist von Weltrang

Ashkar wurde 1976 in Nazareth geboren, als christlicher Palästinenser in Israel. Und er wollte Pianist werden, ein eher seltener Berufswunsch in dieser Region. Mittlerweile lebt er in Berlin, hat sich den Ruf als hervorragenden Interpreten für das große deutsche Repertoire erarbeitet und gilt als der einzige arabische Konzertpianist von Weltrang.

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Sein Weg war kein leichter, die Infrastruktur in Nazareth sprach eigentlich gegen eine Karriere. Sein Vater tauschte ein altes Auto gegen ein Klavier, damit nahm Saleem Ashkar den Kampf auf. In Nazareth hätte er es sich 2012 auch leichter machen können, doch ist er nun einmal eine Kämpfernatur.

Das Galilee Chamber Orchestra wollte betont auch als politisches Instrument agieren. Hier sollten israelische Juden und israelische Palästinenser Seite an Seite musizieren. Anfangs fanden sich nur drei arabische Musiker, mittlerweile sind die Pulte paritätisch besetzt. „Wir kreieren immerhin eine Mikro-Realität“, sagt Ashkar mit Blick auf den Dauerkonflikt, an dem die Makro-Politik so regelmäßig scheitert. Für die Reihe „Courage“ des Rheingau Musik Festivals war Saleem Ashkar und sein Orchester aus Galiläa jetzt zum ersten Mal nach Deutschland gereist (zuvor noch eine Station beim Berliner Festival Young Euro Classic), im Gepäck ihre erste Beethoven-Sinfonie. Für das Publikum im Wiesbadener Kurhaus war das zwar keine Uraufführung, aber neu mutete dieser Beethoven dennoch an. Neu, modern und verblüffend zeitgemäß. Wann hörte man schon derart pointierte Fagott-Passagen, wann einen so rhetorisch freien Auftakt zum Finalsatz der C-Dur-Sinfonie? Nichts klang da bloß nach gutem Willen, alles nach echter Beethoven-Kompetenz, dargeboten von einem Orchester, das seine Vorzüge als kammerphilharmonischer Kleinklangkörper in Sachen Balance und Vitalität voll ausspielte. „Wir schaffen etwas Neues“, so Ashkar. Er sagte dies zwar im Kontext zur Aufführungssituation in Nazareth, behält aber auch darüber hinaus recht.

Zur ebenso akzentreichen wie schlanken C-Dur-Sinfonie erklang noch das zweite Klavierkonzert, das Ashkar vom Klavier aus leitete, eine Haydn-Ouvertüre und das vom Rheingau-Festival in Auftrag gegebene kurze Orchesterwerk „Overcoming“ des ebenfalls aus Nazareth stammenden Komponisten und Oud-Spielers Wisam Gibran. Präsentiert wurde ein trotzig vorwärtsschreitendes Stück mit überraschend lakonischem Schluss, das gar nicht schlecht zu Beethoven passte.